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Missbrauchsskandal blendet Boormann aus

Die ehemalige Trainerin von Simone Biles, Aimee Boorman, hat ihre Arbeit am Bundesstützpunkt in Stuttgart aufgenommen. Den Missbrauchsskandal im deutschen Turnen kommentiert sie nicht – ihr Fokus liegt allein auf der Vorbereitung der Turnerinnen auf die kommende Wettkampfsaison.

Aimee Boorman hat ihre Aufgabe als Trainerin am Bundesstützpunkt in Stuttgart angetreten und will sich dabei auf das Wesentliche konzentrieren: die sportliche Entwicklung ihrer Turnerinnen. "Ich weiß nichts darüber, was hier passiert ist. Ich bin hier, um diese jungen Frauen als Coach vorzubereiten", sagte die langjährige Trainerin von US-Superstar Simone Biles bei ihrer Vorstellung am Mittwoch.

Boorman übernimmt den Stützpunkt in einer heiklen Phase. Kurz vor dem Jahreswechsel hatten mehrere ehemalige Auswahl-Turnerinnen schwere Vorwürfe gegen das Trainingsumfeld in Stuttgart erhoben. Sie sprachen von "systematischem körperlichen und mentalen Missbrauch". Infolge der Anschuldigungen wurden zwei Trainer freigestellt, eine Untersuchung durch eine Frankfurter Kanzlei läuft noch. Boorman aber bleibt unbeteiligt: "Meine Rolle ist, einfach ich selbst zu sein. Ich will diesen Turnerinnen helfen, in der Wettkampfsaison bereit zu sein."

Die Verpflichtung der 51-Jährigen hatte der schwäbische Turnerbund (STB) bereits Ende Februar bekannt gegeben. Ihre Hauptaufgabe wird es sein, die 16-jährige Spitzenathletin Helen Kevric auf die Heim-EM in Leipzig Ende Mai vorzubereiten.

Nach den Vorwürfen war der Trainingsalltag am Stützpunkt in Unruhe geraten. "Die Athletinnen hatten zuletzt Umstände, die ihnen nicht das beste Training ermöglicht haben. Ich wollte sie erstmal kennenlernen und sehen, wo sie stehen und wie ich sie besser machen kann", erklärte Boorman.

Von 2005 bis 2016 betreute sie persönlich die vierfache Olympiasiegerin Simone Biles und führte sie zu historischen Erfolgen. 2016 war Boorman zudem Cheftrainerin des US-Teams bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Ihre neue Aufgabe in Stuttgart ist zunächst auf fünf Monate begrenzt. Sie arbeitet als Honorar-Coach mit einer Trainingsgruppe um Kevric und Marlene Gotthardt.

Der Start in Stuttgart war für Boorman und ihre neuen Schützlinge nicht ganz einfach. "Sie waren vielleicht ein bisschen beklommen, weil sie mich nur als diese Trainerin mit dem großen Namen kannten, die Simone Biles gecoacht hat", erzählte sie. "Für sie war ich ein Superstar, deshalb waren sie etwas schüchtern, aber inzwischen lernen wir uns besser kennen. Diese Beziehung ist wichtig für mich, und ich will, dass sie merken, dass ich nur eine normale Person bin." ozd/afp



OZD-Kommentar:

Aimee Boorman bringt internationale Erfahrung und Erfolge mit, aber sie tritt ihre neue Rolle unter schwierigen Umständen an. Während die Untersuchungen zum Missbrauchsskandal in Stuttgart noch laufen, hält sich die neue Trainerin demonstrativ heraus. Sie betont, dass sie nichts über die Vorfälle wisse und sich ausschließlich auf ihre Arbeit konzentrieren wolle. Doch genau hier liegt eine Herausforderung: Kann man an einem Stützpunkt arbeiten, ohne sich mit den strukturellen Problemen auseinanderzusetzen, die zuletzt Schlagzeilen machten?

Es ist verständlich, dass Boorman als Trainerin in erster Linie das sportliche Wohl ihrer Athletinnen im Blick hat. Doch der Missbrauchsskandal hat tiefgreifende Fragen über das System im deutschen Turnen aufgeworfen. Die Athletinnen, die sich in Stuttgart unter ihrer Leitung weiterentwickeln sollen, sind genau die, die unter den problematischen Strukturen gelitten haben. Wie kann also ein Neuanfang gelingen, wenn die Vergangenheit ausgeblendet wird?

Boormans Ansehen als frühere Trainerin von Simone Biles ist unbestritten. Ihre Erfolge und ihr Wissen könnten dem deutschen Turnen helfen. Doch um wirklich etwas zu verändern, braucht es mehr als nur sportliche Vorbereitung. Eine offene Auseinandersetzung mit den Fehlern der Vergangenheit wäre nötig, um den betroffenen Turnerinnen nicht nur ein neues Training, sondern auch ein sicheres Umfeld zu bieten.



OZD-Analyse:

Die Verpflichtung von Aimee Boorman ist ein Versuch, nach den schweren Vorwürfen gegen den Stützpunkt in Stuttgart sportlich wieder für Stabilität zu sorgen. Doch die neuen Rahmenbedingungen sind komplex und lassen sich nicht allein durch eine erfahrene Trainerin lösen.

Boormans sportliche Kompetenz als Chance

Ihre langjährige Erfahrung mit Weltklasse-Athletinnen macht sie zu einer der renommiertesten Trainerinnen, die jemals in Deutschland gearbeitet haben.

Helen Kevric, die derzeit als größte Nachwuchshoffnung gilt, könnte enorm von ihrer Betreuung profitieren.

Die internationale Expertise könnte helfen, das Trainingsniveau in Stuttgart auf ein neues Level zu heben.


Der Missbrauchsskandal als offene Baustelle

Der öffentliche Druck nach den Enthüllungen ist weiterhin hoch, eine unabhängige Untersuchung läuft noch.

Das Vertrauen vieler Athletinnen und ihrer Familien in das System wurde schwer erschüttert.

Ohne strukturelle Veränderungen könnte sich der Eindruck verfestigen, dass der Skandal einfach ausgesessen werden soll.


Wahrscheinliche Zukunftsprognose:

a) Boorman gelingt es, die sportlichen Erfolge in den Fokus zu rücken (50%)

Die Trainerin konzentriert sich auf ihre Arbeit, die Athletinnen profitieren von ihrer Erfahrung.

Die kommenden Wettkämpfe, vor allem die Heim-EM, könnten als Neustart für den Stützpunkt dienen.

Der Skandal tritt in den Hintergrund, weil sportliche Ergebnisse für positive Schlagzeilen sorgen.


b) Die strukturellen Probleme holen Stuttgart wieder ein (30%)

Sollten neue Enthüllungen oder weitere Beschwerden bekannt werden, bleibt das Misstrauen bestehen.

Eine fehlende Aufarbeitung könnte dazu führen, dass sich Turnerinnen nicht sicher genug fühlen, um ihr volles Potenzial abzurufen.

Das öffentliche Bild des Stützpunkts bleibt beschädigt, auch wenn sportliche Fortschritte erkennbar sind.


c) Boorman zieht sich frühzeitig zurück (20%)

Falls der Druck durch die laufenden Untersuchungen zu groß wird, könnte die Trainerin ihre Arbeit vorzeitig beenden.

Sollte sie feststellen, dass sich das Umfeld nicht mit ihren Prinzipien vereinbaren lässt, wäre ein vorzeitiger Abschied denkbar.

Der Stützpunkt müsste erneut eine Neuausrichtung vornehmen, was zu weiterer Unsicherheit führen würde.




Erklärungen:

Warum wird Boorman ausgerechnet jetzt verpflichtet?
Nach dem Missbrauchsskandal braucht Stuttgart dringend eine positive Neuausrichtung und sportlichen Erfolg.

Kann eine ausländische Trainerin die strukturellen Probleme im deutschen Turnen lösen?
Nicht allein – es braucht zusätzlich Reformen und eine konsequente Aufarbeitung der Vorwürfe.

Wie groß ist die Chance auf einen sportlichen Neuanfang?
Das Potenzial ist da, doch ohne Vertrauen und Sicherheit für die Athletinnen bleibt der Erfolg fragil.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.