Die Umweltorganisation Greenpeace ist von einem Gericht in North Dakota zu einer Schadenersatzzahlung von mehr als 660 Millionen Dollar (605 Millionen Euro) an den Pipeline-Betreiber Energy Transfer (ET) verurteilt worden. Das Gericht in Mandan sprach Greenpeace am Mittwoch wegen Hausfriedensbruchs, Belästigung, Verschwörung und der Behinderung des Zugangs zu ET-Grundstücken schuldig. Die Organisation kündigte Berufung an und bezeichnete das Urteil als Versuch, Protestbewegungen zum Schweigen zu bringen.
Die Klage gegen Greenpeace ging auf Proteste gegen die Dakota Access Pipeline (DAPL) zurück, die 2017 trotz massiver Widerstände in Betrieb genommen wurde. Die Leitung verläuft durch Gebiete der Sioux-Stämme, die nicht nur Umweltgefahren, sondern auch eine Verletzung ihrer heiligen Stätten befürchten. Die Proteste, an denen indigene Gruppen, Umweltschützer und Aktivisten aus dem ganzen Land teilnahmen, wurden von ET als gezielte Kampagne gegen fossile Brennstoffe interpretiert.
ET-Anwalt Trey Cox warf Greenpeace vor, die Standing Rock Sioux „ausgenutzt“ zu haben, um die eigene politische Agenda voranzutreiben. Der Pipeline-Betreiber wies Vorwürfe zurück, er wolle mit dem Verfahren die Meinungsfreiheit unterdrücken, und betonte, dass die Klage auf „massive Störungen und illegale Aktionen“ während der Proteste abziele.
Greenpeace International wies die Anschuldigungen zurück und kritisierte das Urteil scharf. Die Organisation sprach von einer „Einschüchterungstaktik“ der fossilen Industrie und einem Angriff auf das Demonstrationsrecht. Die NGO reichte ihrerseits eine Klage in den Niederlanden gegen ET ein und beruft sich dabei auf ein EU-Gesetz gegen missbräuchliche Klagen.
Der Milliardär Kelcy Warren, Chef von Energy Transfer und ein prominenter Unterstützer von Donald Trump, hatte bereits mehrfach betont, dass das Verfahren nicht nur der finanziellen Entschädigung diene, sondern auch „ein Signal senden“ solle. In den USA sind solche strategischen Klagen gegen Kritiker („Slapp-Klagen“) besonders umstritten, da sie darauf abzielen, Proteste zu ersticken und Aktivisten finanziell unter Druck zu setzen.
Rechtsexperten sehen in dem Urteil eine potenzielle Gefahr für zukünftige Klimaproteste. Michael Gerrard von der Columbia University erklärte, dass das Urteil „abschreckende Wirkung“ auf Umweltaktivisten haben könnte. Zwar würden friedliche Proteste voraussichtlich nicht betroffen sein, doch gewaltsame Blockaden fossiler Projekte könnten künftig stärker juristisch verfolgt werden.
OZD / AFP
OZD-Kommentar
Das Urteil gegen Greenpeace ist ein besorgniserregendes Signal für Umwelt- und Protestbewegungen weltweit. Energy Transfer und andere Konzerne haben gezeigt, dass sie bereit sind, mit aggressiven juristischen Mitteln gegen Kritiker vorzugehen. Während illegale Aktionen während der Proteste nicht gerechtfertigt werden können, bleibt die Frage, ob das Urteil tatsächlich dem Recht dient – oder eher der Abschreckung künftiger Proteste.
Die Strategie, Aktivisten mit ruinösen Schadensersatzforderungen zu überziehen, ist in den USA nicht neu. Die fossile Industrie nutzt Klagen zunehmend als Druckmittel gegen Kritiker, um die öffentliche Debatte zu beeinflussen. Der Fall Greenpeace könnte Schule machen: Wenn dieses Urteil Bestand hat, drohen ähnliche Verfahren gegen andere Umweltorganisationen, die sich gegen Öl- und Gasprojekte stellen.
Das Urteil stärkt zudem die Macht der Konzerne, während es die Protestkultur untergräbt. Sollte Greenpeace in der Berufung scheitern, könnte das langfristig dazu führen, dass Unternehmen mit der Androhung hoher Klagen die Zivilgesellschaft zum Schweigen bringen. Die Frage ist: Wollen wir eine Welt, in der Kapitalinteressen über demokratischen Protest gestellt werden?
OZD-Analyse
Das Urteil gegen Greenpeace hat weitreichende Konsequenzen für Protestbewegungen und die Umweltpolitik in den USA. Es zeigt, wie strategische Klagen als Druckmittel gegen Aktivisten genutzt werden können. Während Unternehmen wie Energy Transfer sich als Opfer von Protestkampagnen darstellen, bleibt die Frage, inwieweit die Meinungsfreiheit durch solche Klagen eingeschränkt wird.
Greenpeace argumentiert, dass die Klage vor allem darauf abzielt, Demonstranten einzuschüchtern und zukünftige Proteste zu verhindern. Rechtsexperten warnen davor, dass solche Urteile zu einer gefährlichen Normalisierung von Klagen gegen Umweltorganisationen führen könnten. Die Tatsache, dass das Verfahren in North Dakota geführt wurde – einem Bundesstaat ohne Schutz gegen „Slapp-Klagen“ – ist ein wichtiger Faktor, der zeigt, wie gezielt die fossile Industrie vorgeht.
Auch politisch ist das Urteil brisant. Der Pipeline-Betreiber Energy Transfer steht in enger Verbindung zu Donald Trump, der während seiner ersten Amtszeit die Dakota Access Pipeline genehmigte. Das Urteil fällt zudem in eine Zeit, in der Trump erneut an der Macht ist und Klimapolitik eine deutlich geringere Priorität hat als unter seinem Vorgänger.
Sollte Greenpeace in der Berufung scheitern, könnte dies einen Präzedenzfall schaffen, der andere Umweltgruppen abschreckt, sich gegen große Konzerne zu stellen. Doch die NGO hat bereits Gegenklagen in Europa eingereicht – ob diese etwas bewirken, bleibt abzuwarten.
Erklärungen
Was ist die Dakota Access Pipeline (DAPL)?
Die Dakota Access Pipeline ist eine rund 1900 Kilometer lange
Öl-Pipeline, die Erdölfelder in North Dakota mit einem Verteilzentrum in
Illinois verbindet. Das Projekt wurde von Umweltschützern und indigenen
Gruppen stark kritisiert, da es durch Gebiete verläuft, die für den
Stamm der Standing Rock Sioux heilig sind. Zudem gibt es Befürchtungen,
dass Öllecks die Wasserversorgung gefährden könnten.
Wer ist Kelcy Warren?
Kelcy Warren ist der Milliardär und Vorstandschef des
Pipeline-Unternehmens Energy Transfer. Er gilt als enger Unterstützer
von Donald Trump und hatte bereits in der Vergangenheit betont, dass
Klagen wie die gegen Greenpeace nicht nur auf finanzielle Entschädigung
abzielen, sondern auch eine abschreckende Wirkung auf Umweltbewegungen
haben sollen.
Was sind „Slapp-Klagen“?
„Strategic Lawsuits Against Public Participation“ (Slapp) sind Klagen,
die darauf abzielen, Kritiker finanziell und juristisch unter Druck zu
setzen. In vielen US-Bundesstaaten gibt es Gesetze, die solche Klagen
verhindern sollen – North Dakota gehört nicht dazu.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

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Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP