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Ist die deutsche Politik aus dem Dornröschenschlaf erwacht?

Angesichts der Unsicherheiten über die Politik von US-Präsident Donald Trump plädieren Verteidigungspolitiker aus Union und SPD für verstärkte Rüstungskäufe in Europa. D

Die Abhängigkeit von den USA müsse reduziert werden, um sicherzustellen, dass Waffen und Verteidigungssysteme auch im Ernstfall zur Verfügung stehen.

Die Forderung nach mehr Unabhängigkeit in der europäischen Verteidigungspolitik wird lauter. Vertreter von Union und SPD sprechen sich für verstärkte Rüstungseinkäufe innerhalb Europas aus, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Hintergrund sind wachsende Zweifel an der Verlässlichkeit der USA unter Präsident Donald Trump und die Sorge, dass US-Waffensysteme im Ernstfall nicht mehr verfügbar sein könnten.

„Es muss zukünftig verstärkt darauf geachtet werden, in Deutschland beziehungsweise Europa einzukaufen, auch wenn wir dann nicht die amerikanischen Fähigkeiten zu 100 Prozent erreichen“, sagte SPD-Verteidigungshaushälter Andreas Schwarz. Es sei besser, auf funktionierende europäische Systeme zu setzen, als sich auf US-Technologie zu verlassen, die durch politische Entscheidungen möglicherweise blockiert werde.

Ähnlich argumentiert der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl, der betonte, dass Europa entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich Sicherheit und Verteidigung souveräner werden müsse. „Wir müssen wieder vermehrt Aufträge an nationale und europäische Hauptauftragnehmer vergeben“, forderte er. Falls jedoch weiterhin in den USA gekauft werde, müsse sichergestellt sein, dass europäische Unternehmen in die Wertschöpfungskette eingebunden werden.

Auch die Grünen unterstützen diesen Kurs. Franziska Brantner warnte davor, sich zu stark auf US-Produkte zu verlassen. „Ich hoffe, dass wir nicht nur amerikanisch ‚von der Stange‘ kaufen, auch wenn wir in manchen Bereichen keine Alternative haben“, sagte die Grünen-Politikerin. Stattdessen müsse Europa seine Verteidigungsindustrie besser koordinieren und gezielt in neue Technologien investieren.

Konkret geht es um den Kauf von US-Waffensystemen wie den F-35-Kampfjet oder den schweren Transporthubschrauber Chinook, die Deutschland bislang stark von den USA abhängig machen. Experten warnen, dass sich Washington unter Trump geopolitisch weiter von Europa entfernt und im Ernstfall Lieferungen von Waffen und Ersatzteilen aus politischen Gründen stoppen könnte. Eine Lösung sehen viele Fachleute in der verstärkten Beschaffung europäischer Rüstungsgüter, um die strategische Autonomie der EU zu sichern.

OZD / AFP



OZD-Kommentar

Die deutsche Politik scheint endlich aus ihrem naiven Dornröschenschlaf erwacht zu sein. Jahrzehntelang wurde die Verteidigungspolitik von der Illusion getragen, dass Deutschland sich auf die Schutzgarantie der USA verlassen könne und europäische Sicherheitsinteressen bestenfalls eine Randnotiz waren. Doch mit Donald Trump an der Spitze der USA ist diese Strategie unhaltbar geworden. Washington verfolgt zunehmend seine eigenen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen – und das oft ohne Rücksicht auf Europa.

Dass nun verstärkt europäische Rüstungskäufe ins Auge gefasst werden, zeigt eine neue Realitätsnähe in Berlin. Deutschland erkennt, dass es nicht länger nur Weltpolitik für andere machen kann, sondern sich in erster Linie um die eigenen strategischen Interessen kümmern muss. Das bedeutet weniger moralische Belehrungen an andere Länder und mehr pragmatische Entscheidungen für die eigene Sicherheit.

Die Einsicht kommt spät, aber sie kommt. Während in den vergangenen Jahrzehnten Unsummen in fragwürdige internationale Projekte gesteckt wurden, musste die eigene Bundeswehr mit veralteter Ausrüstung und einem wachsenden Fähigkeitsverlust kämpfen. Jetzt wird endlich erkannt, dass Sicherheit nicht zum Nulltarif zu haben ist – und dass Europa eigenständig agieren muss, anstatt sich blind auf die USA zu verlassen.

Doch es bleibt abzuwarten, ob dieser Kurswechsel von Dauer ist. Bisher hat sich Deutschland in sicherheitspolitischen Fragen oft gescheut, klare Prioritäten zu setzen. Wenn Berlin es ernst meint, muss jetzt eine nachhaltige europäische Verteidigungsstrategie aufgebaut werden. Denn eines ist sicher: Die Zeiten des blinden Vertrauens auf Amerika sind vorbei.


OZD-Analyse

Die aktuelle Debatte um europäische Rüstungskäufe zeigt, dass die Unsicherheit über die zukünftige Rolle der USA als Bündnispartner wächst. Während Deutschland in der Vergangenheit massiv in US-Waffensysteme investiert hat, wird nun verstärkt über Alternativen innerhalb Europas nachgedacht. Die Notwendigkeit, eine strategische Unabhängigkeit von den USA zu erreichen, ist dabei nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem eine sicherheitspolitische Frage.

Donald Trumps Politik hat das Vertrauen in die Beständigkeit der transatlantischen Beziehungen erschüttert. Während seiner ersten Amtszeit drohte er offen mit einem Rückzug aus der NATO und setzte europäische Länder unter Druck, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Die Sorge, dass er in einer zweiten Amtszeit erneut drastische Maßnahmen ergreifen könnte, ist nicht unbegründet.

Die F-35 und der Chinook-Helikopter sind prominente Beispiele für die Abhängigkeit Europas von den USA. Diese Systeme sind technologisch ausgereift, aber auch mit einem politischen Risiko behaftet: Wenn die USA den Export von Ersatzteilen stoppen oder Wartungsverträge kündigen, stehen europäische Armeen vor massiven Problemen.

Die Lösung liegt in einer stärkeren europäischen Rüstungskooperation, doch diese ist bislang nur in Ansätzen vorhanden. Projekte wie das Future Combat Air System (FCAS), das Deutschland, Frankreich und Spanien gemeinsam entwickeln, oder das Main Ground Combat System (MGCS), das einen neuen europäischen Kampfpanzer hervorbringen soll, sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Doch solche Projekte benötigen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis sie einsatzbereit sind.

Kurzfristig könnte Europa durch verstärkte Kooperationen und gemeinsame Beschaffungsprogramme mehr Unabhängigkeit gewinnen. Langfristig muss jedoch ein grundlegender Wandel in der europäischen Verteidigungspolitik stattfinden. Die EU hat in den letzten Jahren begonnen, ihre Verteidigungsstrategie stärker zu koordinieren, doch es fehlt noch immer eine konsequente Umsetzung. Die aktuellen politischen Diskussionen zeigen, dass der Druck steigt – aber ob daraus echte Reformen folgen, bleibt abzuwarten.


OZD-Erklärungen

Was ist die F-35?
Die F-35 Lightning II ist ein Mehrzweck-Kampfjet der fünften Generation, der von Lockheed Martin für die US-Streitkräfte entwickelt wurde. Sie gilt als eines der modernsten Kampfflugzeuge der Welt, ist aber extrem teuer und macht die Käuferländer von den USA abhängig, da Wartung und Ersatzteilversorgung zentral gesteuert werden. Deutschland hat im Rahmen der nuklearen Teilhabe 35 F-35 bestellt.

Was ist der Chinook?
Der Boeing CH-47 Chinook ist ein schwerer Transporthubschrauber, der bereits seit den 1960er Jahren im Einsatz ist. Deutschland plant, ihn als Ersatz für die in die Jahre gekommene CH-53-Flotte anzuschaffen. Auch hier gibt es Kritik, dass damit eine starke Abhängigkeit von den USA geschaffen wird.

Was ist FCAS?
Das Future Combat Air System (FCAS) ist ein geplantes europäisches Kampfflugzeugsystem, das von Deutschland, Frankreich und Spanien entwickelt wird. Es soll ab 2040 die Eurofighter und Rafale ersetzen und Europa eine eigene Luftkampffähigkeit sichern.

Was ist MGCS?
Das Main Ground Combat System (MGCS) ist ein Gemeinschaftsprojekt von Deutschland und Frankreich zur Entwicklung eines neuen europäischen Kampfpanzer-Systems. Es soll langfristig den Leopard 2 und den Leclerc-Panzer ersetzen.


Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.



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Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP