Ständiges Beobachten, aufdringliche Nachrichten, Drohungen oder gar körperliche Gewalt – für viele Menschen ist Stalking eine tägliche Bedrohung. In Deutschland nimmt die Zahl der Fälle seit Jahren zu, doch der Kampf gegen das Phänomen gestaltet sich schwierig. Laut dem Bundeskriminalamt wurden allein 2023 über 22.000 Stalking-Fälle registriert – eine hohe Dunkelziffer wird vermutet. Viele Betroffene berichten, dass sie sich hilflos fühlen und die Behörden oft erst eingreifen, wenn es zu spät ist.
Eine von ihnen ist Lisa M. (Name geändert). „Ich konnte meine Wohnung nicht mehr verlassen, ohne Angst zu haben“, erzählt die 34-Jährige. Ein ehemaliger Kollege hatte sich in sie verliebt und ließ sie nicht mehr in Ruhe. „Er hat mir täglich geschrieben, ist mir nach Hause gefolgt, hat mir Geschenke vor die Tür gelegt.“ Trotz mehrfacher Anzeigen dauerte es Monate, bis ein Kontaktverbot verhängt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lisa bereits ihren Wohnort gewechselt.
Juristisch ist Stalking in Deutschland seit 2007 ein Straftatbestand, doch die Beweisführung ist kompliziert. Oft wird Opfern geraten, Nachrichten und Beweise zu sammeln, doch selbst dann reicht es häufig nicht für eine Verurteilung. Eine Gesetzesreform 2021 sollte den Opferschutz stärken, doch Experten kritisieren, dass die Hürden für eine Strafverfolgung weiterhin zu hoch seien.
„Die Justiz hinkt dem Problem hinterher“, sagt die Kriminologin Sabine Keller. „Oft müssen Opfer ihr Leben drastisch ändern, während Täter kaum Konsequenzen fürchten.“ Besonders gefährlich wird es, wenn Stalking in Gewalt umschlägt. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums ging jedem dritten Fall von tödlicher Partnerschaftsgewalt Stalking voraus.
In der Politik wächst die Erkenntnis, dass Handlungsbedarf besteht. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte jüngst an, Stalking-Delikte konsequenter verfolgen zu lassen. „Wir müssen weg von der Beweislast der Opfer hin zu einer aktiven Verfolgung durch die Behörden“, forderte er. Doch ob es wirklich zu einer Reform kommt, bleibt abzuwarten.
Für Betroffene ist schnelle Hilfe entscheidend. Organisationen wie der Weiße Ring bieten Unterstützung an, auch die Polizei rät zu Schutzmaßnahmen wie der Änderung von Telefonnummern oder einer neuen Wohnadresse. Doch letztlich bleibt Stalking für viele Opfer ein Kampf gegen die Unsichtbarkeit des Problems – und gegen eine Justiz, die zu oft zu langsam reagiert.
OZD / AFP
Ist Stalking eine Krankheit?
Stalking selbst ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein strafrechtlich relevantes Verhalten, das auf verschiedenen psychischen Störungen oder tief sitzenden Verhaltensmustern basieren kann. Es gibt jedoch psychische Erkrankungen, die mit Stalking in Verbindung stehen können. Dazu gehören:
Erotomanie (De-Clérambault-Syndrom): Eine wahnhafte Störung, bei der Betroffene überzeugt sind, dass eine bestimmte Person – oft eine berühmte oder sozial höhergestellte Person – in sie verliebt ist.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Menschen mit dieser Störung haben oft Schwierigkeiten, Zurückweisung zu akzeptieren, und versuchen durch Stalking, Kontrolle und Aufmerksamkeit zu behalten.
Borderline-Persönlichkeitsstörung: Stalker mit dieser Diagnose neigen zu extremen emotionalen Reaktionen und Verlustängsten, was zu zwanghaftem Verfolgen führen kann.
Paranoide Persönlichkeitsstörung: Kontrollwahn, Misstrauen und Verfolgungswahn können dazu führen, dass jemand andere Menschen in deren Privatsphäre bedrängt.
Zwangsstörungen oder obsessive Liebe: Manchmal liegt Stalking ein zwanghaftes Denken zugrunde, bei dem eine Person nicht loslassen kann.
Nicht alle Stalker sind psychisch krank – viele handeln aus Eifersucht, Rache oder Kontrollsucht. Dennoch zeigt Forschung, dass etwa die Hälfte aller Stalker an einer psychischen Störung leidet. Das macht Stalking nicht weniger gefährlich, sondern zeigt, dass es oft tiefer liegende Ursachen gibt, die therapeutische oder juristische Maßnahmen erfordern.
OZD-Analyse:
Albtraum Stalking - Aber was kann man machen?
Was soll ich bei Stalking tun?
1. Alle Bedrängungen notieren!
2. Zeugen ins Boot holen!
3. Rechtsanwalt einsetzen (Unterlassungserklärung)
4. Anzeigen
5. Bei Hausbesuch - sofort die Polizei rufen
... und keine (also gar keine) Reaktionen auf Kontaktversuche über private Kanäle (sozial Media) erwidern.
6. Keinerlei Versuche unternehmen, den Stalker von seinen irrigen Annahmen abzubringen! Oder vom Gegenteil zu überzeugen!
7. Bei einem Arbeitskontext - Vorgesetze*n , oder den Betriebsrat in Kenntnis setzen und auf Lösung drängen!
8. Gibt es eine Compliance in der Firma?
9. Die Genderbeauftragte informieren!
10. Suchen sie sich psychologischen Beistand!
Stalking als gesellschaftliches Problem
Stalking betrifft jährlich zehntausende Menschen in Deutschland, doch viele Fälle werden nicht gemeldet.
Die psychischen und sozialen Folgen für Betroffene sind gravierend, oft führt Stalking zu Angststörungen, Jobverlust oder Umzügen.
Justiz und Gesetzgebung hinken hinterher
Trotz Gesetzesverschärfungen bleibt die Strafverfolgung schwierig, weil Stalking schwer nachweisbar ist.
Kontaktverbote oder polizeiliche Maßnahmen greifen oft erst, wenn die Situation eskaliert.
Zukunftsperspektiven:
Bessere Opferhilfe oder schärfere Gesetze?
Experten fordern niedrigere Beweislasten für Opfer und eine schnellere Strafverfolgung von Tätern.
Die Politik diskutiert Reformen, doch ob diese wirklich umgesetzt werden, bleibt fraglich.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild OZD.