Brüssel – Nach intensiven Verhandlungen hat die EU eine Einigung über Reformen der Führerscheinregeln erzielt. Fahrverbote aufgrund von schweren Verstößen wie Raserei oder Alkohol am Steuer werden künftig EU-weit gelten, wie das Europaparlament und die Mitgliedstaaten am Dienstagabend beschlossen. Bislang galt ein Fahrverbot nur in dem Land, in dem es verhängt wurde, jetzt wird es in allen EU-Staaten wirksam.
Der italienische EU-Abgeordnete Matteo Ricci begrüßte die Einigung und nannte die neuen Kriterien für EU-weite Fahrverbote „klar und zeitgerecht“. Ein solches System werde Unfälle verhindern und Leben retten, sagte Ricci, der die Verhandlungen im Parlament geführt hatte.
Ein europaweites Punktesystem wird es zwar nicht geben, doch künftig sollen Informationen über schwere Verstöße zwischen den Behörden ausgetauscht werden. Dies wird durch die Einführung eines digitalen Führerscheins erleichtert, den alle Autofahrer bis 2030 über ihr Smartphone abrufen können. Wer es bevorzugt, kann weiterhin einen Karten-Ausweis beantragen.
Die Reformen beinhalten auch die Verpflichtung, bei der Führerscheinprüfung eine ärztliche Untersuchung oder eine Selbstauskunft über die Gesundheit vorzulegen. Der Führerschein bleibt dann 15 Jahre gültig. Bei der Verlängerung können die einzelnen Länder auf eine ärztliche Untersuchung verzichten oder sie verlangen.
Ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach Autofahrer ab 70 Jahren alle fünf Jahre einen Gesundheitsnachweis erbringen sollten, wurde jedoch abgelehnt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos) setzte sich zusammen mit anderen Ländern wie Belgien und Österreich erfolgreich gegen diese Regelung durch.
Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels unter Lkw-Fahrern senkt die EU das Mindestalter für einen Lkw-Führerschein von 21 auf 18 Jahre. Das Mindestalter für einen Bus-Führerschein wird von 24 auf 21 Jahre gesenkt. Jutta Paulus, die Grünen-Europaabgeordnete, die diesen Teil der Reform verhandelt hatte, erklärte: „Wir führen europaweit einheitliche Standards ein und erleichtern jungen Menschen den Einstieg in den Fahrerberuf.“
Ein weiterer Bestandteil der Reformen ist die Einführung einer zweijährigen Probezeit für Fahranfänger in allen EU-Staaten. Begleitetes Fahren, wie es in Deutschland bereits praktiziert wird, soll ebenfalls in der gesamten EU zum Standard werden. Die Gesetzesänderung muss noch vom Europaparlament und dem Rat der EU-Staaten bestätigt werden, was jedoch als Formalität gilt.
OZD / AFP
OZD-Kommentar:
Die Einigung auf die Führerscheinreform ist ein wichtiger Schritt für
mehr Einheitlichkeit in der EU, besonders im Hinblick auf Fahrverbote
und die Digitalisierung des Führerscheins. Besonders bemerkenswert ist
die Entscheidung, keine verpflichtenden Gesundheitsprüfungen für
Senioren einzuführen, was die Bedenken vieler älterer Fahrer
hinsichtlich ihrer Mobilität mildert.
Die Senkung des Mindestalters für Lkw- und Bus-Führerscheine könnte positive Auswirkungen auf die Bekämpfung des Fachkräftemangels haben, stellt jedoch auch neue Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheit junger Fahrer.
OZD-Analyse:
1. EU-weite Fahrverbote und digitale Führerscheine
Die Einführung europaweit gültiger Fahrverbote für schwere Verkehrsverstöße wie Raserei und Alkoholmissbrauch wird die Verkehrssicherheit in der EU erheblich verbessern.
Die Einführung eines digitalen Führerscheins ab 2030 wird den Verwaltungsaufwand verringern und den Austausch von Verstößen zwischen den Ländern erleichtern.
2. Ablehnung von Gesundheitsprüfungen für Senioren
Der Vorschlag, dass Senioren regelmäßig Gesundheitsprüfungen absolvieren müssen, wurde in den Verhandlungen abgelehnt. Dies zeigt die Balance zwischen Sicherheitsbedenken und den Rechten älterer Fahrer.
Die Entscheidung könnte auch politische Konsequenzen für die Wahrnehmung der Reformen in verschiedenen EU-Staaten haben.
3. Reformen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels
Die Senkung des Mindestalters für Lkw- und Bus-Führerscheine könnte helfen, den akuten Fachkräftemangel in der Transportbranche zu mildern.
Gleichzeitig wird es erforderlich sein, zusätzliche Sicherheits- und Schulungsmaßnahmen für junge Fahrer zu entwickeln, um die Unfallrate nicht zu erhöhen.
Was ist begleitetes Fahren?
Begleitetes Fahren ist eine Regelung, die es jungen Fahranfängern
erlaubt, unter der Aufsicht eines erfahrenen Fahrers zu fahren, bevor
sie den vollen Führerschein erhalten. Diese Regelung soll Fahranfängern
helfen, mehr Erfahrung im Straßenverkehr zu sammeln, bevor sie alleine
fahren. In Deutschland ist begleitetes Fahren für Fahranfänger ab 17
Jahren erlaubt und könnte bald in der gesamten EU eingeführt werden.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.