Mitschrift der Rede des Kanzlers beim 16. Petersberger Klimadialog im Auswärtigen Amt in Berlin in Kürze:
Sehr geehrter Herr Generalsekretär Guterres,
sehr geehrte Damen und Herren Ministerinnen und Minister,
sehr geehrter Herr Corrêa do Lago,
liebe Annalena Baerbock,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir leben in einer Zeit großer Erschütterungen. Sicherheit ist das Thema der Stunde, und zwar zu Recht. Denn ohne Sicherheit ist alles nichts. Deswegen investieren wir in Deutschland und Europa Milliarden in die Stärkung unserer Verteidigungsfähigkeit.
Manche sagen nun, in Zeiten wie diesen sei der Klimaschutz nachrangig, so als sei Klimaschutz ein Luxus, den man sich nur in sorglosen Zeiten leisten könnte. Doch diejenigen, die das behaupten, irren sich. Die Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels ist und bleibt auch eines der wichtigsten sicherheitspolitischen Themen überhaupt. Das sagen nicht nur Klimaschützer, sondern auch unsere Nachrichtendienste. „Wer Sicherheit denkt, muss Klima mitdenken“, heißt es in einer aktuellen Studie von Klimaforschern und dem BND.
Weltweit steigt die Gefahr von Waldbränden, von Überschwemmungen, von breiten Ernteausfällen. Das Risiko von Hunger und Seuchen wächst. Politische Instabilität, Flucht und Ressourcenkonflikte sind die Folgen. Es gibt keinerlei vernünftigen Zweifel: Wir gewinnen den Kampf um eine friedliche Welt nur dann, wenn wir den Klimawandel begrenzen.
Im Zentrum dieses Kampfes steht das Übereinkommen von Paris. Dieses Übereinkommen ist mehr als nur ein Vertrag; es ist ein Zeichen, dass die Weltgemeinschaft über den Tag hinaus denkt und handelt, ein Versprechen, dass wir gemeinsam an einer sicheren Zukunft für die kommenden Generationen arbeiten. Das ist der Geist von Paris; das ist gelebte globale Verantwortung. In diesem Geist haben wir in den vergangenen zehn Jahren beeindruckende Erfolge erzielt.
Ich bedaure deshalb außerordentlich, dass die USA das Abkommen verlassen wollen. Dabei ist eines doch klar: Durch Bestreiten und Ignorieren der Fakten verschwinden weder die Folgen des Klimawandels noch die Verantwortung der USA als des historisch größten Emittenten von Treibhausgasen. Was durch plötzliche Vollbremsungen beim Umwelt- und Klimaschutz allerdings tatsächlich verschwindet, sind wirtschaftliche Chancen. Denn der weltweite Markt für klimafreundliche Schlüsseltechnologien wächst weiter rasant. Schon 2024 haben die Investitionen in die globale Energiewende die Zweibillionendollarmarke überschritten. Das entspricht mit Stand von heute dem Volumen des gesamten weltweiten Ölhandels. Die Chancen sind also riesig, und deswegen sollten wir den Wettbewerb um die besten Lösungen und die cleversten Innovationen auch mit dem allergrößten Ehrgeiz fortsetzen.
Ich sage das auch ganz ausdrücklich für Deutschland. Deutschland ist zum ersten Mal auf Kurs, seine Klimaziele einzuhalten. Aus heutiger Sicht werden wir das Ziel erreichen, unseren CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 1990 um 65 Prozent zu senken, zumal unser Parlament in der vergangenen Woche nicht nur entschieden hat, die Ausgaben für die Sicherheit unseres Landes massiv zu erhöhen, sondern zugleich den Weg dafür geebnet hat, unsere Infrastruktur, unsere Gebäude, unseren Verkehr und unsere Unternehmen auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft weiter voranzubringen. Damit leistet Deutschland einen Beitrag dafür, dass die EU eine ambitionierte NDC für 2035 und ein ambitioniertes Klimaziel für 2040 erreichen kann. Für uns ist klar: „There is no turning back“, nicht bei der Energieerzeugung, nicht bei der Mobilität und auch nicht in der Industrie.
Erstes Stichwort: Energieerzeugung. Über 85 Prozent der 2024 global neu zugebauten Kraftwerkskapazität war erneuerbar. Dieses Wachstum geht rasant weiter. In Deutschland hat sich die genehmigte Leistung von Onshore-Windkraft 2024 im Vergleich zum Vorjahr, 2023, fast verdoppelt und im Vergleich zu 2022 sogar mehr als verdreifacht. Jeden Tag entstehen bei uns 38 Fußballfelder an Photovoltaik, jeden einzelnen Tag. So haben wir den Anteil erneuerbaren Stroms in den vergangenen vier Jahren von 40 Prozent auf 60 Prozent gesteigert, und zwar nicht nur deswegen, weil es die klimafreundlichste Art der Energieerzeugung ist, sondern auch deswegen, weil es auf Dauer die sicherste und kostengünstigste Art ist.
Zweites Stichwort: Mobilität. Ja, es sind die Verbraucherinnen und Verbraucher, die über die Geschwindigkeit der Entwicklung bei der E-Mobilität entscheiden werden. Aber wohin die Reise geht, ist auch da vollkommen klar. In China, dem derzeit größten Automobilmarkt, wurden im Monat Juli des vergangenen Jahres erstmals mehr elektrisch betriebene Autos als reine Verbrenner zugelassen, nicht nur, weil es nachhaltiger und sauberer, sondern auch, weil es am Ende wirtschaftlicher ist. Auch Europas und Deutschlands Autobauer stehen mit Modellen in den Startlöchern, die technisch weltweit an der Spitze stehen und gleichzeitig günstiger werden.
Drittes und letztes Stichwort: Transformation der Industrie. Das ist vielleicht der größte und schwierigste Brocken auf dem Weg in Richtung von Klimaneutralität. Denn jedes unserer Länder steht vor der Frage, wie es gelingt, Wohlstand, gut bezahlte Arbeit und Klimaschutz zusammenzubringen. Ein wichtiger Beitrag, den Deutschland gemeinsam mit aktuell 45 weiteren Mitgliedern aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern leistet, ist der Klimaclub. Gerade ist ihm Malaysia beigetreten. Seit Beginn des Jahres wird die Arbeit von einem eigenen Sekretariat in Paris unterstützt. Im Klimaclub sorgen wir gemeinsam für mehr Kooperation, mehr Transparenz und mehr Konvergenz in der weltweiten Dekarbonisierung, indem wir gemeinsam daran arbeiten, Carbon Leakage zu verhindern, und Standards etwa für klimafreundlichen Stahl oder Zement vereinbaren.
Mit der Global Matchmaking Platform haben wir außerdem ein Instrument geschaffen, um die Dekarbonisierung der Industrie ganz besonders in Schwellen und Entwicklungsländern zu unterstützen, immer mit dem Ziel, Wachstum und Klimaschutz miteinander zu verbinden.
Meine Damen und Herren, in einer Welt mit acht und zur Mitte des Jahrhunderts zehn Milliarden Bewohnerinnen und Bewohnern ist dieses Ziel essenziell. Gleichzeitig gehört zur Wahrheit, dass die finanziellen Ressourcen für klimafreundliches Wachstum nicht gleich verteilt sind. Viele besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffene Staaten verfügen über sehr beschränkte Anlagemöglichkeiten, obwohl Investitionen gerade dort Wirksamkeit in Sachen CO2-Reduktion hätten. Deswegen müssen wir mit öffentlichem Geld effektiver umgehen und gezielt private Investitionen hebeln. Wir müssen die finanziellen Lasten auch auf mehr Schultern verteilen.
Ich möchte ganz klar unterstreichen: Deutschland als Industrieland steht zu seiner Verantwortung. Wir bekennen uns ausdrücklich zu den Beschlüssen von Baku. Gleichzeitig müssen wir die Unterstützung von Entwicklungsländern beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel noch stärker als gemeinsame, globale Anstrengung verstehen. Die Welt hat sich seit den 1990er Jahren zum Glück unglaublich verändert. In Asien, im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und Lateinamerika sind neue Kraftzentren der Weltwirtschaft entstanden. Mit wachsendem Wohlstand und Einfluss geht allerdings auch größere Verantwortung einher, nicht zuletzt bei der Klimafinanzierung.
Meine Damen und Herren, über diese Fragen offen zu diskutieren, darin liegt die Stärke des Petersberger Klimadialogs. In einer Zeit großer Erschütterungen ist dieser Dialog umso wertvoller. Denn er unterstreicht die Bereitschaft zwar nicht aller, aber doch sehr, sehr vieler von uns, gemeinsam das Richtige tun.
Deshalb noch einmal: Schönen Dank und herzlich willkommen!
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
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