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Netanjahus Kehrtwende - hat die Bevölkerung noch Vertrauen in seine Politik?

Netanjahu stoppt Ernennung von Geheimdienstchef: Chaos um Schin-Bet-Führung

Israels Premier Netanjahu macht eine Kehrtwende: Nur einen Tag nach der Verkündung eines Nachfolgers für den Geheimdienstchef Schin Bet zieht er die Entscheidung zurück. Hintergründe der Krise und der Einfluss der "Katargate"-Affäre.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat seine Entscheidung zur Ernennung eines neuen Geheimdienstchefs nur einen Tag nach der Verkündung rückgängig gemacht. Der Ministerpräsident bedankte sich bei Vizeadmiral Eli Scharvit für dessen Bereitschaft, die Leitung des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet zu übernehmen, teilte sein Büro mit. Allerdings wolle er nach "weiterer Überlegung" andere Kandidaten prüfen. Diese plötzliche Kehrtwende wirft neue Fragen zur Stabilität der israelischen Sicherheitsbehörden auf.

Die Entscheidung kommt inmitten einer angespannten politischen Lage. Vor zwei Wochen hatte Netanjahus Kabinett einstimmig beschlossen, den amtierenden Schin-Bet-Chef Ronen Bar zu entlassen. Der Oberste Gerichtshof setzte diesen Beschluss jedoch bis zum 8. April aus. Trotzdem hatte Netanjahu am Montag Scharvit als Bars Nachfolger präsentiert – eine Anordnung, die er nun wieder aufhob.

Hintergrund der Rückzieher ist offenbar die Enthüllung, dass sich Scharvit 2023 an den Massenprotesten gegen Netanjahus umstrittene Justizreform beteiligt hatte. Zudem wurde berichtet, dass prominente Republikaner in den USA Vorbehalte gegen Scharvit hegten, da dieser einen kritischen Beitrag über die Klimapolitik von Ex-US-Präsident Donald Trump verfasst hatte.

Netanjahu hatte die Entlassung Bars mit mangelndem Vertrauen und Versäumnissen des Schin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 begründet. Bar selbst sieht den Schritt als politisch motiviert an. Das Verhältnis zwischen ihm und Netanjahu ist seitdem angespannt, zumal ein Untersuchungsbericht nicht nur Fehler des Geheimdienstes, sondern auch der Regierung aufzeigte.

Hinzu kommt eine weitere Belastung für Netanjahu: Schin Bet ermittelt derzeit zu mutmaßlichen Bestechungsgeldern aus Katar an enge Vertraute des Premiers. Medienberichten zufolge wurden im Zuge dieser "Katargate"-Affäre zwei enge Mitarbeiter Netanjahus festgenommen. Die Proteste gegen die Entlassung Bars dauern an. Am Montag versammelten sich Demonstranten vor dem Parlament in Jerusalem und kritisierten neben der Schin-Bet-Krise auch Netanjahus Rolle in der Korruptionsaffäre.

OZD / ©AFP


OZD-Kommentar

Netanjahus Chaos-Strategie: Eine Regierung in der Krise

Israels Premier Netanjahu agiert erratisch und widerspricht sich innerhalb von 24 Stunden selbst. Die plötzliche Kehrtwende bei der Ernennung des Geheimdienstchefs zeigt ein alarmierendes Muster: Entscheidungen werden getroffen und sofort wieder revidiert, ohne klare Linie oder Strategie. Das wirft nicht nur Fragen zur Stabilität der Regierung auf, sondern auch zur Glaubwürdigkeit Netanjahus als Führungspersönlichkeit.

Die Entlassung von Ronen Bar war bereits ein hochgradig umstrittener Schritt. Ein Regierungschef, der einen Geheimdienstchef mitten in einer Sicherheitskrise austauscht, sollte eine solide und durchdachte Nachfolge präsentieren. Doch Netanjahu stolpert von einer Fehlentscheidung zur nächsten. Der Fall Eli Scharvit zeigt deutlich, wie wenig Kontrolle der Premier über seine eigene Regierung hat. Erst wird er als Nachfolger präsentiert, dann wird die Entscheidung zurückgenommen, weil Netanjahu offenbar erst im Nachhinein von dessen kritischen Positionen erfuhr. Das ist keine vorausschauende Politik – das ist Chaos.

Netanjahu versucht, Kritiker mundtot zu machen, indem er Schlüsselpositionen nach Loyalität statt nach Kompetenz besetzt. Doch diese Taktik fällt ihm auf die Füße. Der Oberste Gerichtshof bremst ihn aus, Proteste auf den Straßen zeigen, dass die Bevölkerung seine Entscheidungen nicht mehr widerspruchslos hinnimmt. Parallel dazu setzen Korruptionsvorwürfe und die sogenannte "Katargate"-Affäre Netanjahu weiter unter Druck. Die Verhaftung zweier enger Vertrauter macht deutlich, dass die Schlinge sich zuzieht.

Wie lange kann Netanjahu dieses Spiel noch treiben? Die israelische Öffentlichkeit beginnt, die ständigen Kehrtwenden nicht mehr als politische Taktik, sondern als Zeichen von Schwäche zu sehen. Eine Regierung, die sich dermaßen in Widersprüche verstrickt, verliert ihre Handlungsfähigkeit. Und ein Premier, der sich ständig selbst korrigieren muss, verliert das Vertrauen der Bevölkerung.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Titelbild: AFP