Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen
QR-Code zu www.online-zeitung-deutschland.de

Hamas veröffentlicht Video mit zwei israelischen Geiseln

Ihre Rolle als politische Faustpfänder schützt die Geiseln möglicherweise kurzfristig, stellt aber keine Garantie dar.

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hat am Samstag ein Video veröffentlicht, das zwei israelische Geiseln zeigt. In dem über zwei Minuten langen Clip berichten die beiden Männer, sie hätten einen israelischen Angriff überlebt. Nach Angaben des Forums der Geiselfamilien handelt es sich bei einem der Männer um Maxim Herkin, der auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt. Der zweite Mann wurde in israelischen Medien als Bar Kuperstein identifiziert, ein israelischer Soldat.

Beide Geiseln wurden am 7. Oktober 2023 bei dem Angriff der Hamas auf das Nova-Musikfestival in Südisrael entführt. Das Video wurde vom bewaffneten Arm der Hamas, den Essedin-al-Kassam-Brigaden, veröffentlicht. Herkin trägt sichtbare Verletzungen, unter anderem einen Verband im Gesicht und an der rechten Hand. Die Authentizität des Videos konnte von unabhängiger Seite, wie der Nachrichtenagentur AFP, bislang nicht bestätigt werden. Der Zeitpunkt der Aufnahme ist ebenfalls unklar.


Hintergrund:
Am 19. Januar 2024 trat eine Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft, während der 33 Geiseln freigelassen wurden – acht davon waren bereits tot. Seit dem 18. März 2024 setzt Israel seine militärischen Operationen im Gazastreifen fort, inklusive Luftangriffen und einer neuen Bodenoffensive. Am Freitag begann ein Militäreinsatz im Osten der Stadt Gaza. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu kündigte an, den Druck auf die Hamas zu erhöhen, um die Freilassung der restlichen Geiseln zu erzwingen. Die Hamas warnt, diese militärischen Aktionen gefährdeten das Leben der Geiseln.

Die Hamas und verbündete Gruppen hatten am 7. Oktober 2023 bei einem koordinierten Großangriff auf Israel etwa 1200 Menschen getötet und 251 Personen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Nach Angaben der israelischen Armee befinden sich derzeit noch 58 Geiseln in der Gewalt der Hamas, wovon 34 bereits tot sein sollen. OZD/AFP


Analyse: Überlebenschancen der verbleibenden Geiseln im Gazastreifen

Humanitäre und psychologische Lage der Geiseln

Die verbliebenen 58 Geiseln befinden sich seit fast sechs Monaten in der Gewalt der Hamas oder ihr nahestehender Gruppierungen. Ihre physische wie psychische Situation ist potenziell äußerst kritisch:

Mangelversorgung: Aufgrund der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen ist davon auszugehen, dass auch Geiseln nur eingeschränkt Zugang zu Nahrung, medizinischer Versorgung und sanitären Einrichtungen haben.

Verletzungsgefahr durch Kampfhandlungen: Die zunehmende Intensität israelischer Luft- und Bodenoperationen erhöht das Risiko, dass Geiseln versehentlich getötet werden oder in umkämpften Gebieten festgehalten werden.

Verwundbarkeit: Einige der Geiseln sind älter, krank oder bei der Entführung verletzt worden – ihre Überlebenschancen sinken mit fortschreitender Zeit dramatisch.


Taktische Rolle der Geiseln für die Hamas

Die Hamas nutzt Geiseln historisch und aktuell als politisches und militärisches Druckmittel:

Abschreckung und Schutzschild: Geiseln könnten absichtlich in Gebieten festgehalten werden, die Israel aufgrund ihrer Präsenz nicht bombardieren will.

Verhandlungsmasse: Die Hamas hofft auf künftige Waffenruhen oder Austauschdeals, in denen Geiseln gegen inhaftierte Palästinenser freigelassen werden – vergleichbar mit dem Gilad-Schalit-Abkommen von 2011, bei dem über 1000 palästinensische Gefangene für einen israelischen Soldaten freikamen.

Propagandazwecke: Videoveröffentlichungen dienen der Selbstdarstellung, Demoralisierung der israelischen Gesellschaft und Beeinflussung der öffentlichen Meinung.


Militärisch-politische Entwicklungen

Die militärische Dynamik in Gaza verschärft sich weiter:

Zunehmende Bodenoffensiven: Seit März führt Israel gezielte Einsätze im Zentrum und Osten Gazas durch. Diese Offensiven gehen mit schwerer Zerstörung einher, unter der auch mögliche Geiselverstecke leiden könnten.

Rhetorik der Eskalation: Premier Netanjahu steht innenpolitisch unter massivem Druck. Die Forderung, die Geiseln „mit aller Kraft“ zu befreien, erhöht den Druck auf das Militär – birgt aber auch ein hohes Risiko für deren Leben.

Blockierte Verhandlungen: Seit dem Scheitern mehrerer Vermittlungsversuche (u.a. durch Ägypten, Katar, USA) scheint eine diplomatische Lösung momentan fern.


Historische Vergleiche

Gilad Schalit (2006–2011): Der israelische Soldat wurde über fünf Jahre lang in Gaza festgehalten, aber lebend gegen massive Zugeständnisse ausgetauscht. Damals agierte Israel zurückhaltender militärisch – heute ist der Kontext deutlich aggressiver.

Libanon-Geiseln (2006): Zwei israelische Soldaten wurden von der Hisbollah getötet; Israel erhielt ihre Leichen Jahre später. Ein Szenario, das sich im aktuellen Kontext wiederholen könnte, besonders bei militärisch gebundenen Geiseln wie Bar Kuperstein.


Realistische Szenarien und Überlebenschancen


Fazit

Die Überlebenschancen der verbliebenen Geiseln schwinden mit jedem weiteren Tag ohne Fortschritt in den Verhandlungen. Ihre Rolle als politische Faustpfänder schützt sie möglicherweise kurzfristig, stellt aber keine Garantie dar. Die anhaltende Eskalation und der Mangel an vertrauenswürdigen Vermittlungsformaten verschärfen ihre Lage drastisch. Ein diplomatischer Durchbruch – etwa durch humanitäre Vereinbarungen unter internationalem Druck – bleibt aktuell ihre beste Überlebensperspektive.


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP