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Ein „Sieg“ auf wackligem Fundament

Die gefährliche Rückkehr der USA ins 18. Jahrhundert - ein Kommentar

Was auf den ersten Blick wie ein rechtlicher Triumph der Trump-Regierung erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gefährlicher Präzedenzfall für demokratische Rückschritte: Der US-Supreme Court hat entschieden, dass Abschiebungen auf Basis des „Alien Enemies Act“ von 1798 zulässig seien – einem Gesetz, das in einer Zeit entstand, als George Washington gerade erst aus dem Amt geschieden war und die Vereinigten Staaten sich vor feindlichen ausländischen Mächten fürchteten. Dass dieses fast 230 Jahre alte Gesetz nun im Jahr 2025 zur Anwendung kommt, ist ein alarmierendes Signal für den Zustand der amerikanischen Demokratie und ihres Umgangs mit Menschenrechten.

Präsident Trump feiert das Urteil als Sieg für „Rechtsstaatlichkeit“ und „Grenzsicherung“. Doch in Wahrheit handelt es sich weniger um einen rechtstaatlichen Sieg als vielmehr um eine politische Machtdemonstration – getragen von einer knappen konservativen Mehrheit am Obersten Gerichtshof. Die Entscheidung basiert auf der Behauptung mangelnder örtlicher Zuständigkeit des Gerichts in Washington, nicht auf einer substanziellen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung selbst. Das Urteil öffnet damit der politischen Willkür Tür und Tor – unter dem Deckmantel formaler Justiz.

Besonders brisant ist die selektive Anwendung eines Kriegsrechtsinstruments gegen eine spezifische Gruppe: venezolanische Migranten, die verdächtigt werden, der kriminellen Bande „Tren de Aragua“ anzugehören. Die pauschale Kriminalisierung ganzer Gruppen erinnert an düstere Zeiten der US-Geschichte, in denen Minderheiten aufgrund ihrer Herkunft verfolgt wurden. Dabei ist längst nicht bewiesen, dass alle Betroffenen tatsächlich kriminelle Hintergründe haben. Und selbst für jene, gegen die ein Verdacht besteht, gilt in einem Rechtsstaat: keine Strafe ohne Gerichtsverfahren.

Dass der Supreme Court betont, die Betroffenen müssten über ihre Abschiebung informiert und ihnen der Rechtsweg offenstehen, mag wie ein Lichtblick erscheinen. Doch in der Praxis sind Migranten, die in texanischen Gefängnissen inhaftiert und nach El Salvador abgeschoben werden, oft ohne Anwalt, ohne Sprachkenntnisse und ohne reale Chance auf rechtliche Verteidigung. Die Möglichkeit zur Klage wird damit zur bloßen Formalie degradiert.

Der Fall offenbart erneut die tiefen Widersprüche innerhalb der US-amerikanischen Rechtsprechung: Einerseits wird der Präsident mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, andererseits müssen individuelle Grundrechte scheinbar dem Staatsinteresse weichen. Das Argument der „nationalen Sicherheit“ dient dabei als juristischer Freifahrtschein – auch wenn es sich in der Realität oft um innenpolitisch motivierte Maßnahmen handelt, die Ängste schüren und Wähler mobilisieren sollen.

Die Rückbesinnung auf ein Gesetz aus dem 18. Jahrhundert ist nicht nostalgisch – sie ist gefährlich. Denn sie zeigt, dass autoritäre Tendenzen in modernen Demokratien nicht mit der Abschaffung von Rechten beginnen, sondern mit ihrer selektiven Anwendung. Die Frage, wer als „Feind“ gilt, wird so zur politischen Definitionssache – und damit zur Gefahr für alle.

OZD/vB



Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP