Union und SPD liegen bei der Grundrente unverändert weit auseinander. Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag auf die Umsetzung des Vorhabens drängte, pochten Unionspolitiker erneut auf Nachbesserungen. Deutliche Kritik kam von der Opposition.
Heil betonte, es gehe bei der Grundrente "um die Menschen, die dafür sorgen, dass der Laden läuft". Als Beispiele nannte er unter anderem Pflegekräfte, Paketboten und Lastwagenfahrer. Sie bekämen jetzt in der Corona-Krise viel Zuspruch, doch "diese Menschen haben mehr verdient als Anerkennung", nämlich "ordentliche Löhne" und später dann "anständige Renten".
Bisher erhielten viele Arbeitnehmer "recht dürftige Renten", obwohl sie "ihr Leben lang gearbeitet haben, obwohl sie Kinder erzogen haben, obwohl sie Angehörige gepflegt haben". Hier solle die Grundrente ab Januar 2021 Abhilfe schaffen. Dies sei "für die gesamte Bundesregierung" ein "wesentliches Projekt in dieser Legislaturperiode".
Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) bekannte sich zwar grundsätzlich ebenfalls zu dem Vorhaben, kleine Renten aufzustocken: Dies "eint uns und ist ein gemeinsames Anliegen". Er beharrte aber als Voraussetzung auf einer Einkommensprüfung. "Gießkanne ist mit uns nicht zu machen", warnte er.
Zur Frage der Finanzierung sagte Gröhe: "Wünschenswertes muss finanzierbar sein". Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) habe hierfür die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer in Aussicht gestellt. "Wir vertrauen darauf, dass geliefert wird."
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab 2021 rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen Renten einen Zuschlag bekommen, wenn sie ausreichend Beitragszeiten nachweisen können. Ein Geringverdiener mit 35 Beitragsjahren oder anerkannten Jahren für Kindererziehung oder Pflege kann demnach unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschlag von bis zu 404,86 Euro monatlich erreichen.
Der Linken-Rentenexperte Matthias Birkwald betonte, ein Zuschlag für kleine Renten sei "dringend geboten". Es sei jedoch "enttäuschend, dass mit dem nun vorliegenden Modell viele Betroffene "weiter zum Sozialamt gehen müssen". Hier habe die Union ursprünglich vernünftige Pläne Heils verschlechtert.
Die komplizierten Regeln für die Grundrente bemängelte der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth. "Warum einfach, wenn es auch umständlich geht?", fragte er im Bundestag. Die Rentenversicherung müsse sich mit einem "wüsten Verwaltungsaufwand" herumschlagen.
Grundsätzliche Kritik kam von FDP und AfD. "Sie schaffen ganz viele neue Ungerechtigkeiten", sagte der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel. Die AfD-Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesig forderte die Union auf, das Vorhaben zu stoppen.
Die Bundestags-Beratung über die Grundrente war von der SPD erst nach langem Ringen gegen den Widerstand der Unionsfraktion durchgesetzt worden. Noch unmittelbar zuvor bezeichnete der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann die Vorlage in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe als "nicht zustimmungsfähig". Es dürfte jetzt "keinen Verabschiedungs-Automatismus" geben, erklärte der CDU-Wirtschaftsrat.
Umgekehrt warnte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den Koalitionspartner in den Funke-Zeitungen vor weiteren Verzögerungen. Auch Sozialverbände mahnten eine rasche Umsetzung an: "Die Grundrente muss jetzt dringend kommen und darf nicht durch fadenscheinige Argumente aufgehalten werden", forderte die Diakonie Deutschland. "Ein Ende der Hinhaltetaktik" verlangte auch der SoVD.
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