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Die Ukraine-Gespräche in Paris: Europas Rückkehr an den Verhandlungstisch

Kommentar: Europas Rolle in den Ukraine-Gesprächen – mehr als nur Staffage?

Es war ein symbolträchtiger Tag in Paris. Zum ersten Mal seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus saßen Vertreter der USA und Europas gemeinsam am Tisch, um über Frieden in der Ukraine zu beraten. US-Außenminister Marco Rubio und Sondergesandter Steve Witkoff trafen ranghohe Repräsentanten Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Ukraine – ein Format, das längst überfällig war. Doch es bleibt die Frage: Handelt es sich hierbei um echte multilaterale Diplomatie – oder nur um einen gut orchestrierten Balanceakt der Europäer, um Anschluss an den US-zentrierten Friedensdialog zu halten?

Seit Trumps zweiter Amtszeit scheint Washington außenpolitisch wieder in Eigenregie zu agieren – ein Stil, der an die ersten vier Jahre seiner Präsidentschaft erinnert. Die bilateralen Gespräche mit Russland, die Trump ohne Rücksprache mit den europäischen Partnern eingeleitet hat, sind ein diplomatischer Affront – und gleichzeitig ein realpolitischer Weckruf für Europa. Der Pariser Gipfel ist daher nicht nur als sicherheitspolitische Initiative zu verstehen, sondern auch als machtpolitisches Signal: Europa will mitreden. Und Europa muss mitreden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das Momentum erkannt. In atemberaubender Eile wurden die Gespräche in Paris organisiert, ursprünglich nur als bilaterale Unterredung zwischen Rubio und Barrot angekündigt. Doch die spontane Aufstockung zum multilateralen Format zeigt Macrons außenpolitische Intuition. Der Élysée signalisiert damit, dass man sich nicht auf eine Statistenrolle reduzieren lässt – und dass eine europäische Antwort auf Trumps Russland-Kurs längst in der Mache ist.

Die Anwesenheit hochrangiger Vertreter wie Jens Plötner, David Lammy und der ukrainischen Delegation unter Andrij Jermak unterstreicht den Ernst der Lage. Gleichzeitig bleibt der Schatten der Realität über allen Gesprächen bestehen: Russland bombardiert weiter, tötet weiter, eskaliert weiter. Die Zahl der Opfer in Sumy und Dnipro kurz vor und während der Gespräche belegt, wie dünn der Boden ist, auf dem derzeit Diplomatie betrieben wird.

Präsident Selenskyjs Worte auf Telegram, in denen er „Druck auf die Killer“ fordert, sind ein verzweifelter Appell, aber auch eine Mahnung an die Verhandlungsteilnehmer. Diplomatie darf nicht bedeuten, sich in Wunschdenken zu flüchten. Russland spricht in Paris mit gespaltener Zunge: Auf der einen Seite beteuert Sondergesandter Witkoff nach seinem dritten Treffen mit Wladimir Putin, der Kremlchef sei zu einem „dauerhaften Frieden“ bereit. Auf der anderen Seite entlässt Putin Drohnen Richtung ukrainischer Städte.

Was also taugt der Friedenswille, wenn er nicht einmal für eine symbolische Waffenruhe während internationaler Verhandlungen reicht?

Die Europäer setzen auf eine Doppelstrategie: Teilnahme an den Gesprächen – und gleichzeitig Aufbau einer eigenständigen Sicherheitsarchitektur. Die von Frankreich und Großbritannien initiierte „Koalition der Willigen“ ist ein stilles Gegengewicht zu Washingtons Alleingängen. Sollte es zu einer Waffenruhe kommen, steht bereits eine sogenannte Rückversicherungstruppe in den Startlöchern – ein multinationaler Militäreinsatz, der der Ukraine Sicherheit garantieren soll, ohne dass die NATO direkt involviert wäre.

Diese europäische Initiative verdient Beachtung. Sie ist pragmatisch, vorsichtig, aber auch entschlossen. Moskaus harsche Reaktion zeigt, dass man dort die neue europäische Ernsthaftigkeit durchaus wahrnimmt – und fürchtet. Kremlsprecher Peskow warf den Europäern prompt Kriegswillen vor, während Wirtschaftsvertreter Dmitrijew über eine angebliche Störung des US-russischen Dialogs klagte. Die Einmischung Europas in diese bilaterale Choreografie wird in Moskau als Bedrohung empfunden. Und genau das ist sie auch – eine Bedrohung des Anspruchs Russlands, über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg Friedensbedingungen mit Washington auszuhandeln.

Letztlich bleibt die Erkenntnis: Die Gespräche von Paris sind ein erster Schritt zur Rückkehr zu einer multipolaren Diplomatie – einem Ansatz, der den Krieg in der Ukraine nicht nur als regionalen Konflikt oder Stellvertreterkrieg versteht, sondern als Herausforderung für die gesamte europäische Ordnung. Trumps Politik mag auf bilaterale Deals ausgerichtet sein – Europas Antwort muss multilaterale Resilienz sein.

Macron, Lammy, Plötner und Co. müssen diesen Kurs beibehalten. Nicht nur aus Solidarität mit der Ukraine, sondern aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Frieden in Europa darf nie mehr ausschließlich in Washington und Moskau verhandelt werden. Die Gespräche von Paris sind ein Anfang. Jetzt gilt es, daraus eine dauerhafte europäische Strategie zu machen – mit Rückgrat, Realismus und Verantwortung.

OZD/vB


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP