Die Ankündigung des Pentagon, rund 1000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen, markiert einen weiteren Schritt im schrittweisen Rückzug der Vereinigten Staaten aus einem der komplexesten Konfliktherde des Nahen Ostens. Damit wird die US-Militärpräsenz in Syrien faktisch halbiert. Obwohl das US-Zentralkommando betont, weiterhin Angriffe gegen verbliebene IS-Zellen durchführen zu können, ist dies unweigerlich ein Signal: Die Ära der aktiven US-Einmischung in Syrien neigt sich dem Ende zu.
Zentraler Treiber dieser Entwicklung ist US-Präsident Donald Trump, der schon lange Zweifel an der strategischen Notwendigkeit eines militärischen Engagements in Syrien hegt. Nach dem Sturz von Baschar al-Assad durch HTS-Kräfte im Dezember 2024 hatte Trump den Konflikt endgültig als „nicht unseren Kampf“ deklariert. Der Abzug ist also nicht nur militärisch, sondern auch politisch motiviert – und Ausdruck eines Paradigmenwechsels in der US-Außenpolitik, die sich zunehmend auf innenpolitische Prioritäten und auf größere Konkurrenten wie China fokussiert.
Erklärungen:
Die offizielle Begründung für den Truppenabbau ist eine „Konsolidierung“ an ausgewählten Standorten. Das bedeutet in der Praxis: Die verbleibenden Kräfte werden auf weniger, aber besser gesicherte Basen konzentriert. Es geht darum, das Risiko für US-Soldaten zu minimieren, logistische Kosten zu senken – und dennoch symbolisch Präsenz zu zeigen. Auch das dürfte ein innenpolitisches Kalkül sein: Die US-Bevölkerung unterstützt mehrheitlich keine langfristigen militärischen Auslandseinsätze mehr.
Gleichzeitig bleibt die Bedrohung durch den sogenannten „Islamischen Staat“ bestehen – wenn auch in veränderter Form. IS-Kämpfer operieren weiterhin im Schatten, nutzen die Wüste als Rückzugsort und führen sporadisch Anschläge durch. Ein vollständiger Rückzug könnte deshalb zu einem Sicherheitsvakuum führen – das sowohl von dschihadistischen Gruppen als auch von regionalen Mächten wie Iran, der Türkei oder Russland gefüllt werden könnte.
Prognose:
Kurzfristig dürfte der Abzug zu einem Machtvakuum im Nordosten Syriens führen, besonders in kurdisch kontrollierten Gebieten, die stark auf US-Schutz angewiesen waren. Die kurdischen SDF (Syrian Democratic Forces) könnten gezwungen sein, neue Bündnisse einzugehen – möglicherweise sogar mit dem neuen Regime in Damaskus oder regionalen Akteuren, um ihre Gebiete zu sichern.
Langfristig verstärkt sich ein Trend: Die USA ziehen sich aus multilateralen Konflikten zurück, überlassen regionale Stabilitätspartnern oder Rivalen wie Russland die Bühne und konzentrieren sich auf ihre Kerninteressen. Für Syrien könnte das bedeuten: Mehr Instabilität, neue Allianzen, vielleicht ein Wiedererstarken des IS – und eine anhaltende Unsicherheit über die Zukunft des Landes.
Die Ankündigung des Pentagon ist deshalb weit mehr als eine taktische Anpassung. Sie ist Teil eines strategischen Rückzugs, dessen Folgen sich nicht nur in Syrien, sondern im gesamten Nahen Osten zeigen werden.
OZD/vB
Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: AFP