Wenn Tarifkompromiss auf politischen Willen trifft
Der Mindestlohn in Deutschland liegt derzeit bei 12,82 Euro – doch nicht mehr lange, wenn es nach der SPD geht. Parteigeneralsekretär Matthias Miersch kündigt im Gespräch mit dem Politikportal Table.Briefings an, notfalls per Gesetz einzugreifen, sollte die Mindestlohnkommission nicht freiwillig eine Erhöhung auf 15 Euro empfehlen.
Miersch zeigt sich optimistisch, dass die Kommission „tatsächlich zu diesem Ergebnis kommt“. Doch das politische Signal ist eindeutig: Wenn nicht freiwillig, dann gesetzlich. Bereits im Oktober 2022 hatte die Ampelregierung gezeigt, dass sie zu Sonderwegen bereit ist – damals wurde der Mindestlohn durch eine Einmalmaßnahme auf 12 Euro angehoben.
Jetzt steht die nächste Eskalationsstufe im Raum. Der voraussichtliche CDU-Kanzler Friedrich Merz hatte zuletzt eine Anhebung des Mindestlohns offen infrage gestellt – die SPD dagegen will die 15 Euro möglichst schon ab Jahreswechsel 2026 gesetzlich verankern. Ein neuer Konflikt zwischen wirtschaftlicher Zurückhaltung und sozialpolitischem Gestaltungsanspruch bahnt sich an. OZD/AFP
Faktencheck: Was ist jetzt rechtlich möglich – und was wurde schon getan?
Aktueller Mindestlohn: 12,82 Euro (seit Januar 2024)
Zuständig: Mindestlohnkommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen
Letzter gesetzlicher Eingriff: Oktober 2022 (einmalige Anhebung auf 12 Euro durch die Ampel-Regierung)
Koalitionsvertrag: Ziel von 15 Euro bis spätestens 2026 – auf Basis von Tarifentwicklung und Medianlohn
Bauernverband: Fordert Ausnahmen für Saisonarbeiter – Spargelproduzenten beklagen Mehrkosten
Kommentar: 15 Euro sind überfällig – und mehr als Symbolpolitik
Ob in der Pflege, in der Gastronomie oder auf den Feldern des Landes: Wer Vollzeit arbeitet, soll davon leben können. Die Erhöhung auf 15 Euro ist kein radikaler Sprung, sondern eine sozialpolitisch längst überfällige Anpassung an die Realität von Mieten, Lebenshaltungskosten und Inflationsentwicklung.
Dass jetzt der Bauernverband laut wird und vor zu teurem Spargel warnt, ist vorhersehbar. Doch wie SPD-Abgeordnete Franziska Kersten zurecht feststellte: 20 Cent mehr pro Kilo Spargel – das ist der Preis von Anstand und fairem Lohn. Wer hier auf Ausnahmen pocht, schürt die soziale Spaltung.
Forderung: Die Kommission muss liefern – oder der Gesetzgeber greift ein
Es ist gut, dass die Mindestlohnkommission den Lohn entpolitisiert berechnet – aber nicht entdemokratisiert. Wenn die Gremien nicht die Lebensrealität Millionen arbeitender Menschen widerspiegeln, muss der Gesetzgeber handeln.
Die SPD steht jetzt unter Beobachtung. Mierschs Ankündigung macht klar: Das 15-Euro-Ziel ist nicht nur Symbolik, sondern eine rote Linie. Der Ball liegt nun im Spielfeld der Kommission – und wenn dort keine Bewegung kommt, darf und soll die Politik eingreifen.
OZD/Redaktion Wirtschaft
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Bild: AFP