Washington gibt den Takt vor – oder eben nicht mehr. US-Vizepräsident JD Vance hat bei seinem Indien-Besuch eine Idee präsentiert, die in Europa für Schnappatmung sorgt: Die aktuelle Frontlinie in der Ukraine soll einfach eingefroren werden – Stand jetzt, Chaos inklusive. Ein Vorschlag, der klingt, als hätte jemand beim Frühstück auf eine Landkarte gekleckert und dann entschieden: „So bleibt’s!“
Laut Vance sei jetzt der Moment gekommen, „das Töten zu stoppen“ – indem einfach beide Seiten ein Stück Territorium aufgeben. Zack. Deal. Dass der Aggressor Russland in diesem Szenario mit bereits besetzten Gebieten davonkommt? Nebensache. Dass die Ukraine mit einem „Bitte lächeln“ ihren eigenen Landraub akzeptieren soll? Details.
Und das Beste: Wenn sich Kiew nicht bald fügt, dann – Trommelwirbel – zieht sich die USA aus den Verhandlungen zurück. So zumindest der Tenor aus Washington. Eine diplomatische Erpressung, die man sich dort wohl als „konstruktiven Druck“ verkauft. Auch Präsident Donald Trump und Außenminister Marco Rubio spielten zuletzt mit diesem Rückzugs-Szenario. America First – der Rest kann sehen, wo er bleibt.
Putins Schachzug: Kampfpause mit Hintertür
Zuvor war bereits bekannt geworden, dass Moskau selbst mit einer „Kampfpause“ kokettiert – natürlich zu den eigenen Bedingungen. Angeblich sei man bereit, einen Teil der besetzten Gebiete aufzugeben. Welche genau? Darüber schweigt der Kreml wie üblich vielsagend.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ließ sich davon nicht beirren. Seine klare Botschaft: Erst Waffenruhe, dann reden. Und zwar nicht irgendeine Waffenruhe, sondern „sofort, vollständig und bedingungslos“. Eine Forderung, die klingt wie das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte – wäre da nicht die Realpolitik à la Vance & Co.
Paris und London: Hände in den Hosentaschen, Mienen auf Halbmast
Die Reaktionen aus Europa? Müdes Stirnrunzeln. In Paris spricht man immerhin noch von „territorialer Integrität“, was auf gut Deutsch bedeutet: Wir sehen das kritisch, sagen es aber lieber diplomatisch. Aus London hieß es lediglich: „Die Ukraine entscheidet selbst.“ Immerhin etwas – auch wenn es eher nach Pflichtsatz als nach Rückgrat klingt.
Dabei wäre genau jetzt der Moment, in dem Europa aufstehen und sagen müsste: Nein, so nicht. Kein Territorium auf dem Altar geopolitischer Deals. Kein Frieden, der das Völkerrecht zu Grabe trägt.
Showdown in London – nur ohne die Minister
Statt großer Außenministerrunde gab’s in London am Mittwoch eher ein diplomatisches Speed-Dating auf Berater-Ebene. Die Außenminister selbst blieben dem Treffen fern – darunter auch US-Außenminister Rubio. Man habe das Treffen eben „verschoben“, hieß es. Klar doch.
Stattdessen durften sich Emmanuel Bonnes, Keith Kellogs und Co. die Hände schütteln – und vermutlich über die Frage streiten, wie man aus dieser diplomatischen Sackgasse wieder rauskommt, ohne dabei komplett das Gesicht zu verlieren.
Währenddessen in der Ukraine: Blutiger Alltag
Während sich in den Konferenzräumen der Welt die Karten neu gemischt werden, sterben in der Ukraine weiter Menschen. Neun Tote bei einem russischen Drohnenangriff auf einen Bus in Marhanez. Dutzende Verletzte. Weitere Attacken auf Kiew, Charkiw, Odessa – der Krieg kennt keine Pause, egal, was auf dem Papier steht.
Fazit?
Washington will den Krieg einfrieren – Europa friert beim Gedanken daran. Und die Ukraine steht im Kugelhagel und fragt sich, was genau von „unverbrüchlicher Solidarität“ noch übrig ist, wenn Deals wichtiger werden als Gerechtigkeit.
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: AFP