Mark Rutte, der neue Nato-Generalsekretär, hat in Washington seine diplomatische Feuertaufe erlebt – und das mit einer Brise Selbstbewusstsein. In Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Pete Hegseth betonte er, dass Europa und Kanada inzwischen „ihren Teil leisten“, was die Verteidigungsausgaben angeht. Doch Rutte weiß: Worte allein reichen nicht, wenn man mit Donald Trump zu tun hat.
Trump hat seine alte Leier wieder hervorgeholt – und zwar mit gewohnter Lautstärke. Die USA, so seine Botschaft, seien nach wie vor der Zahlmeister der Nato. Dass Rutte keinen direkten Termin beim Präsidenten erhielt, ist da kein Zufall, sondern ein Signal. Es ist ein Balanceakt: Einerseits muss Rutte den europäischen Partnern Rückendeckung geben, andererseits den amerikanischen Präsidenten beschwichtigen – besonders im Wahljahr.
Seine Rhetorik von einer „stärkeren, gerechteren und tödlicheren Nato“ wirkt wie ein Versuch, Trump rhetorisch entgegenzukommen, ohne europäische Interessen preiszugeben. Sie zeigt aber auch, dass Rutte den Ernst der geopolitischen Lage erkennt. Die Nato steht vor einer Bewährungsprobe: Krieg in der Ukraine, Spannungen mit China, ein ungewisser US-Kurs nach der Wahl.
Trumps Treffen mit Ruttes Vorgänger Jens Stoltenberg ist ebenfalls mehr als symbolisch. Der frühere Nato-Chef, nun Finanzminister in Norwegen, wurde von Trump explizit gelobt – eine subtile Kritik am neuen Amtsinhaber? Möglich. Zumindest nutzt Trump jede Gelegenheit, seinen Standpunkt zur „ungerechten“ Lastenteilung zu wiederholen.
Rutte muss nun beweisen, dass er mehr ist als ein pragmatischer Verwalter. Die Herausforderung besteht darin, die Allianz nicht nur zusammenzuhalten, sondern sie auch neu aufzustellen – militärisch, finanziell und politisch. Der Nato-Gipfel im Juni in Den Haag wird zur ersten großen Nagelprobe.
OZD
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