Konzertsäle
bleiben still, die Bühnen bleiben leer. Die Corona-Krise bedeutet einen
kulturellen Stillstand. Veranstalter, Locations, Privattheater – für viele
kulturelle Einrichtungen geht es darum, diese Zeit zu überstehen. „Derzeit ist
uns jede Geschäftsgrundlage weggebrochen“, sagt die Geschäftsführerin des MCC
Halle Münsterland, Dr. Ursula Paschke. Die letzte Veranstaltung in der Halle
war am 10. März. Es herrsche allerdings völlige Unklarheit darüber, ob und wann
welche Form von Veranstaltungen wieder durchgeführt werden können. Dr. Ulrich
Peters, Intendant des Theaters in Münster, ist viele Jahre lang gerne zu seiner
Arbeit ins Theater gekommen. Zurzeit aber gleicht sein Job dem „Verwalten einer
Katastrophe“, erzählt er.
Der Spielbetrieb des städtischen Theaters Münster ist bis Ende Juni eingestellt, die Herbstmonate nennt Intendant Dr. Ulrich Peters eine „Übergangsspielzeit“. Erst Ende dieses Jahres könne auf einen „normalen“ Spielbetrieb gehofft werden. Auch wenn die Existenz des städtischen Theaters zunächst gesichert ist, geht der Intendant davon aus, dass sich die tatsächlichen Auswirkungen der Corona-Krise für das Theater erst im Laufe der nächsten Jahre zeigen werden.
Weniger Förderungen und Stellenabbau sind Themen, die Peters Sorgen bereiten. Gesorgt wird sich vor allem um die Freiberufler. Während die städtischen Angestellten des Theaters teilweise in Werkstätten an Bühnenbildern, Kostümen und Co arbeiten und ihr Gehalt bekommen, trifft die Krise die Freiberufler besonders hart. Keine Aufführungen bedeuten keine Jobs und das bedeutet wiederum kein Geld. Das Theater versucht deshalb, die Freiberufler so gut wie es geht zu unterstützen, doch die Umstände seien kompliziert.
Ganz besonders hart trifft die Corona-Krise private Theater und Veranstalter. Für sie bringt diese Zeit vor allem eines mit sich: Große Unsicherheit. Die Einnahmen durch die Veranstaltungen fehlen, die laufenden Kosten bleiben dennoch. „Im Gegensatz zu den öffentlich getragenen Theatern müssen wir 100 Prozent unseres Etats durch verkaufte Eintrittskarten finanzieren. Daher bitten wir Sie in dieser für uns sehr dramatischen Situation um Ihre Unterstützung“, schreibt Angelika Ober, Chefin des Boulevard-Theaters Münster, auf der Internetseite. „Die von der Bundesregierung erhaltene Soforthilfe, die wir dankenswerterweise im Eiltempo erhalten haben, deckt noch nicht einmal die laufenden Kosten für einen Monat“, heißt es von der Friedenskapelle in Münster.
Private kulturelle Einrichtungen sind deshalb auf die Solidarität und die Spenden der Bürger angewiesen. Die Friedenskapelle hat deshalb Solidaritätsaktionen ins Leben gerufen, um zumindest einen Teil des Verlustes aufzufangen, erklärt Tim Eberhardt, Künstlerische Leitung & Management der Friedenskapelle. „Zum Einen, um die Friedenskapelle zu unterstützen - zum Anderen, um die Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen, die von der Krise ebenfalls hart getroffen sind.“ Die Aktion „Spende Dein Ticket“ ruft Konzertgäste dazu auf, ihre Tickets für ausgefallene oder verschobene Konzerte nicht zurück zu geben, sondern zu spenden. Die verbleibenden Einnahmen gehen dann an die Künstlerinnen und Künstler sowie die beteiligten Dienstleister. Außerdem werden von der Friedenskapelle Gutscheine, Abos und Tickets mit Solidaritäts-Beiträgen angeboten, um diese „schwer kalkulierbaren Zerreißprobe“ zu bestehen.
Für die Theater und Veranstalter ist die Krise eine zeitliche Geduldsprobe. Für sie ist es besonders wichtig, den Spiel- und Veranstaltungsbetrieb so bald wie möglich wieder aufnehmen zu können. Angelika Ober vom Boulevard-Theater entwickelt daher ein ausgefeiltes Konzept, wie der Spielbetrieb unter Einhaltung sämtlicher Vorgaben stattfinden könnte. Weniger Besucher sowie Zeitpläne für den Einlass, keine Garderobe und Getränke aus Flaschen oder eigens mitgebrachten Gläsern sind Anpassungen, die auf Besucherseite getroffen werden könnten.
Die Anpassung der Besucherseite ist allerdings nur eine von zwei wesentlichen Herausforderungen. Die Vorgaben und Einschränkungen der Besucherseite seien zu kontrollieren, aber auch auf Darstellungsseite müssten viele Anpassungen getroffen werden, um den Hygienevorschriften zu entsprechen, heißt es seitens der Theater. Die Proben müssen anders organisiert, die Theaterstücke in ihren Ausführungen angepasst werden. Abstandsregeln in Tänzen und emotionalen Dialogen einzuhalten und die Stücke dementsprechend zu inszenieren – das sei schwierig, ohne die Nähe und den Charme des Theaters dabei zu verlieren, so Dr. Ulrich Peters vom Theater Münster.
Auch das GOP Varieté-Theater Münster drängt darauf, die Türen für die Besucher öffnen zu dürfen. Auch dort wurde ein umfangreiches Hygiene-Konzept entwickelt. Laut eigenen Angaben sei das GOP bereits in der Lage, alle Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen umsetzen zu können: „Bedingt durch die Tatsache, dass unsere Gäste an Tischen mit festdefinierten Plätzen sitzen und es im Gegensatz zu klassischen Restaurants keine unkontrollierten Walk-ins gibt, können nicht nur die geforderten Abstände eingehalten werden, sondern es ist anhand der gekauften Tickets jederzeit nachvollziehbar, welcher Gast wann, wo gesessen hat. Damit kommen wir der Forderung von Kanzlerin Angela Merkel nach, dass im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus jede einzelne Infektionskette nachvollziehbar sein müsse.“, heißt es vom Direktor des GOP Varieté-Theaters Hamid R. Reghat. Er und sein Team hoffen daher darauf, möglichst bald wieder für das Publikum da sein zu dürfen.
Und dieser Wunsch scheint nun nicht mehr allzu weit entfernt zu sein. Anfang des Monats wurde bekannt, dass die Öffnung von Theatern und Konzerthäusern ab dem 30. Mai ermöglicht werden soll – sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Besuchern gewährleistet ist und ein Zutrittskonzept vorliegt. Für Kulturstätten in Münster dürfte diese Entscheidung für ein Aufatmen sorgen.
Das ebenfalls hart getroffene Wolfgang Borchert Theater freut sich mit „Momentum“ schon am 4. Juni wieder durchstarten zu dürfen. Über viele Wochen sind auch am Hafen Vorstellungen und Gastspiele abgesagt worden, klagt Meinhard Zanger öffentlich über die prekäre Situation der Spielstätte.„Momentum“ ist eine Premiere, für die in den vergangenen Wochen teilweise in einer Art Videokonferenz geprobt worden ist. Intendant Meinhard Zanger schreibt auf Facebook voller Freude: „Es geht wieder los!“ Dass dafür viele Auflagen erfüllt werden müssen, ist selbstverständlich. Was das am Ende mit der Wirtschaftlichkeit des renommierten Privattheaters machen wird, steht noch in den Sternen. Auch beim Boulevard-Theater gibt es einen Termin für den Neustart. Angelika Ober hat den 12. Juni als Premiere-Termin genannt.
Die Friedenskapelle plant den Start der neuen Spielzeit im September. Und obwohl die Wiederaufnahme des Betriebs für Theater und Veranstalter ein großer Lichtblick ist, bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiter entwickelt, so der Tenor. Wie genau die Zukunft aussieht, könne zum jetzigen Zeitpunkt keiner prognostizieren. Dr. Ursula Paschke vom MCC Halle Münsterland betont, dass neben der schwierigen wirtschaftlichen Lage, die bewältigt werden muss, auch abzuwarten ist, wie sich Besucher und Veranstalter auf die „neue Normalität“ nach den Lockerungen einstellen und ob und inwiefern Angst vor Ansteckung das Verhalten beeinflussen wird.
Noch ist ein Ende der Corona-Krise nicht in Sicht, die tatsächlichen Folgen werden sich im Laufe der Zeit zeigen. „Wir fahren im Moment auf Sicht“, bringt Tim Eberhardt von der Friedenskapelle die Situation auf den Punkt. Tempo und Möglichkeiten, die Corona-Krise zu überstehen, geben die jeweiligen Verordnungen zum Coronaschutz vor. Es heißt also Durchhalten – und Hoffen, dass die tollen kulturellen Einrichtungen in Münster die Krise mit dem Handeln der Politik und der Solidarität der Menschen bestmöglich überstehen.