Regensburg - (ots) - Am Anfang seines politischen Aufstiegs stand der Versuch, die
Legitimität des ersten schwarzen Präsidenten im Weißen Haus zu
unterminieren. Dafür verbreitete Donald Trump im Jahr 2011 die Lüge,
Obama sei tatsächlich kein Amerikaner. Tatsächlich verstecke dieser
seine Geburtsurkunde, weil er nicht in Hawaii, sondern in Kenia zur Welt
gekommen sei.
Trump gab Millionen für seine "Birther"-Schmieren-Kampagne aus, die ganz
nebenbei suggerierte, "Barack Hussein Obama" sei ein Muslim.
Bezeichnenderweise gebrauchen die Moderatoren auf Trumps Haussender FOX
wieder den Mittelnamen des weiterhin beliebten Präsidenten, um die
jüngste Verschwörungstheorie des Amtsinhabers zu verbreiten:
"Obamagate".
Während die Zahl der Covid-19-Toten auf 100 000 Amerikaner zugeht, es so
viele Arbeitslose gibt wie zuletzt während der Großen Depression und
das Ansehen der einstmals stolzen Supermacht in der Welt auf das einer
Bananenrepublik gesunken ist, versucht Trump aus derselben Quelle zu
schöpfen, die seinen Aufstieg ermöglichte.
Der Rechtspopulist profiliert sich dabei als Sprachrohr der Rassisten
und Bigotten, die Amerika nicht großartig, sondern wieder weiß machen
wollen.
Ohne das "unglaubliche Verbrechen" nur benennen zu können,
dessen sich Obama angeblich schuldig gemacht hat, geschweige denn
irgendeinen Beweis dafür zu präsentieren, behauptet Trump, sein
Vorgänger habe ihm mit der Russland-Affäre eine Falle gestellt.
Niemand braucht vor Spannung die Luft anhalten, wenn der Präsident
weitere "Enthüllungen" andeutet. Denn der Kern von "Obamagate" ist
offenkundig: Es geht nicht darum, irgendeinen klardenkenden Amerikaner
von der Verschwörung des "deep state" gegen Trump zu überzeugen, sondern
seinen Anhängern im Wahljahr rohes Fleisch vorzuwerfen.
Nicht die Inanspruchnahme der Hilfe Russlands auf seinem Weg zur Macht
sei kriminell gewesen, sondern das Verhalten des schwarzen Mannes im
Weißen Haus.
Getrieben von einem Minderwertigkeitskomplex vor seinem
global bewunderten Vorgänger, verfolgte Trump in seiner Amtszeit wie ein
Besessener das Ziel, das Erbe des schwarzen Präsidenten auszulöschen
und Obama zu einem Unfall der Geschichte zu machen.
Vom Ausstieg aus dem Klimaabkommen und dem Atomvertrag mit Iran über die
Unterminierung der allgemeinen Krankenversicherung und der
Finanzmarkt-Reformen bis hin zu Handelsprotektionismus und der Abwendung
von der regelbasierten Weltordnung, tat Trump verlässlich das Gegenteil
von Obama.
Tatsächlich verunsichert und beneidet der grobschlächtige Bauunternehmer
die Eleganz, Coolness und intellektuelle Brillanz Obamas. Den
Narzissten im Weißen Haus zerfrisst innerlich, nicht denselben Respekt
zu genießen, wie der Nobelpreisträger.
Deshalb erfindet er Zahlen über
die Teilnehmer seiner Amtseinführung, behauptet ein "stabiles Genie" zu
sein und wird nicht müde Scheinerfolge zu verkünden.
"Obamagate" ist das hoffentlich letzte Kapitel der Obsession des
Präsidenten mit seinem Vorgänger, den er in seinen Tweets fast 3000 Mal
erwähnte.
Der Schuss könnte nach hinten losgehen. Denn die Rückkehr
Obamas in das öffentliche Bewusstsein erinnert daran, welchen
Unterschied eine kompetente Regierung ausmacht.
Obwohl nur der Name des einen Präsidenten auf dem Wahlschein stehen
wird, geraten die Wahlen im November dieses Jahres so zum finalen
Showdown zwischen den Ikonen zweier sehr verschiedener Visionen für
Amerika.
Von Thomas Spang