Münster/Dortmund - Die Industrieausschüsse der IHK zu Dortmund und der IHK Nord Westfalen warnen angesichts der konjunkturellen Auswirkungen der Coronakrise vor einer Überforderung der regionalen Industrie durch die Klimaschutzpolitik. „So wichtig uns der Klimaschutz ist, so sehr plädieren wir dafür, die Unternehmen nicht über die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit weiter zu belasten“, fasst der Vorsitzende des Industrieausschusses der IHK Nord Westfalen, Lars Baumgürtel, nach der gemeinsamen Online-Sitzung der Ausschüsse die Stimmungslage in der Industrie zusammen. Es sei vor allem die Industrie, die mit ihrer Innovationskraft die notwendigen Lösungen zum Klimaschutz liefern werde: „Klimaschutz ohne Industrie ist undenkbar“.
An der gemeinsamen Sitzung der Industrieausschüsse, in der es neben den Auswirkungen der Coronakrise auf die Industrie auch um die industriepolitische Ausrichtung des Landes NRW ging, nahm auch Christoph Dammermann teil. Der Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie ging auf die Herausforderungen der Coronakrise für die Industrie ein: „Die Landesregierung hat zügig ein Soforthilfeprogramm auf die Beine gestellt, um den betroffenen Unternehmen dringend benötigte Liquidität zur Verfügung zu stellen. Wir haben darüber hinaus in Abstimmung mit den Kammern Vorschläge für ein verantwortungsvolles Hochfahren der Wirtschaft vorgelegt. Nun muss der Bund ein Wachstumsprogramm auflegen, um die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in unserem Land effektiv zu unterstützen. Was wir am wenigstens benötigen sind weitere Belastungen.“
Dr. Ansgar Fendel, Vorsitzender des Industrieausschusses der IHK zu Dortmund, fasst die aktuellen Sorgen vieler Unternehmer zusammen: „Die negativen Auswirkungen auf die Industrie durch die Corona Pandemie sind gravierend, nicht nur durch unterbrochene Lieferketten, sondern auch durch einen weltweiten Einbruch der Nachfrage. Sorgen bereitet auch die rasant ansteigende Verschuldung der öffentlichen Hand. Wir benötigen klare und nicht widersprüchliche Aussagen der Politik, wie es weitergeht. Wir stehen als Industrie bereit, um unseren Anteil zu leisten.“ Lars Baumgürtel ergänzt: „Wir brauchen jetzt ein starkes Signal der Politik, um die industriellen Lieferketten wieder vollständig in Gang zu setzen.“
Die Mitglieder der beiden Industrieausschüsse hatten zuvor verdeutlicht, dass sie in der aktuell schwierigen Lage zusätzlich stark von der Energie- und Klimapolitik betroffen sind. So werde die EEG-Umlage ebenso wie die Netzentgelte aufgrund des geringen Stromverbrauchs im nächsten Jahr nach ersten Prognosen erheblich steigen. Außerdem hat die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzpaket die Einführung einer CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme beschlossen, die im nächsten Jahr mit einem nationalen Emissionshandelssystem startet. „Ohne eine wirksame und hinreichende Entlastung der Industrie drohen aufgrund hoher Kosten Produktionsverlagerungen in Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen. Insbesondere für Produktionsbetriebe mit einem hohen Bedarf an Prozesswärme sind massive wirtschaftliche Auswirkungen bis hin zum Existenzentzug zu erwarten“, fürchtet Baumgürtel.
Zusätzlich zu den nationalen Mehrbelastungen für die Unternehmen hat die Europäische Kommission mit der Vorlage des Europäischen Klimaschutzgesetzes eine Anhebung des bisherigen CO2-Einsparziels für 2030 von 40 Prozent auf 50 Prozent, voraussichtlich sogar 55 Prozent, in die Wege geleitet. Die Industrie ist darüber besorgt, da durch die Zielverschärfung die Reduktionsziele und somit auch die Kosten für Unternehmen weiter ansteigen. „Insbesondere der industrielle Mittelstand findet in zukunftsentscheidenden Vorhaben, beispielsweise bei der nationalen und europäischen Wasserstoffstrategie, weder in Berlin noch in Brüssel angemessene Berücksichtigung“, kritisiert Baumgürtel.