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21 Stunden, 130 Milliarden und eine Überraschung

Die Spitzen der großen Koalition haben sich in einer Marathonsitzung auf ein Konjunkturpaket verständigt, das Deutschland "mit Wums" aus der Corona-Krise bringen soll, wie es Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) formulierte.


Vorgesehen sind unter anderem eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung, eine Einmalzahlung an Familien von 300 Euro pro Kind und milliardenschwere Unterstützung für die Kommunen und ein Nein zur Kaufprämie für PKW

Es sei "ein gutes Ergebnis" erzielt worden, urteilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am späten Mittwochabend. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem "wuchtigen strategischen Paket". Die Beteiligten hätten sich in den über zwei Tage verteilten Debatten "nicht ideologisch verhakt, sondern eher politisch ergänzt".

In einem Ergebnispapier listen die Koalitionäre 57 Einzelpunkte auf, die den Staat dieses und nächstes Jahr zusammen 130 Milliarden Euro kosten sollen. Der Großteil entfällt mit 120 Milliarden auf den Bund.

Unter anderem soll die Mehrwertsteuer ab 1. Juli für sechs Monate von 19 auf 16 Prozent sinken, der ermäßigte Steuersatz von sieben auf fünf Prozent. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte, es gehe hier um "20 Milliarden Euro, die hoffentlich beim Verbraucher ankommen". Die Mehrwertsteuersenkung kommt überraschend, da sie in den Diskussionen im Vorfeld des Koalitionsgipfels keine Rolle gespielt hatte.

Zur Entlastung der Kommunen wurde beschlossen, dass der Bund einen größeren Anteil der Sozialleistungen für Kosten der Unterkunft übernimmt, die für Bezieher von Hartz IV und Grundsicherung anfallen. Außerdem übernimmt der Bund 2020 und 2021 die Hälfte der wegen des Wirtschaftseinbruchs ausfallenden Gewerbesteuer. Den Rest übernähmen hoffentlich die Länder, sagte Scholz.

Seinen Wunsch, Altschulden besonders belasteter Gemeinden zu übernehmen, setzte der Finanzminister nicht durch. Das Thema bleibe aber "auf der politischen Agenda", versicherte er. 

Das Paket umfasst auch ein 50-Milliarden-Euro-Zukunftsprogramm, um Innovationen, Klimaschutz und Digitalisierung voranzubringen. Ein Element ist die zusätzliche Förderung der Elektromobilität: Hier soll der staatliche Anteil der bereits existierenden Förderprämie verdoppelt werden.

Dagegen wird es die heftig umstrittene allgemeine Kaufprämie für Pkw nicht geben. Söder sagte dazu, die Autoindustrie werde von der Senkung der Mehrwertsteuer profitieren.

Das Konjunkturprogramm umfasst noch zahlreiche weitere Punkte, von zusätzlichen Steuersparmöglichkeiten und Zuschüssen für Unternehmen über ein Hilfsprogramm für den Kulturbereich bis hin zu Investitionen in Kitas und den Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen. Beschlossen wurden auch eine nationale Wasserstoffstrategie sowie mehr Förderung für Quantentechnologie und Künstliche Intelligenz.

Mit 130 Milliarden Euro fällt das Paket teurer aus als erwartet. Scholz sagte dazu, es sei "eine Menge" Geld. "Wir können das gut hinbekommen, weil wir sehr ordentlich gewirtschaftet haben", fügte der  Finanzminister aber hinzu.

Er gehe davon aus, dass ein weiterer Nachtragshaushalt für 2020 nötig sei. Zur Höhe lasse sich noch nichts sagen. Aus dem ersten Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro, der wegen der Pandemie Mitte März beschlossen wurde, stünden noch mehr als 60 Milliarden "zur Verfügung", berichtete Scholz.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonten, die Abgeordneten der Koalition seien früh in die Debatten eingebunden worden. Nun seien sie auch bereit, " schnell zu Entscheidungen zu kommen", sagte Mützenich mit Blick auf die nötigen Bundestagsbeschlüsse.

cne/bk

Christina NEUHAUS / © Agence France-Presse