Einer der Gründerväter der Europäischen Union, Paul-Henri Spaak, sagte einmal:
„In
Europa gibt es nur zwei Typen von Staaten: kleine Staaten und Staaten,
die noch nicht verstanden haben, dass sie klein sind.“
Deutschland
ist vielleicht kein typischer Kandidat dafür, auf dem Forum kleiner
Staaten zu sprechen. Aber ich finde, Paul-Henri Spaak hatte Recht. In
unserer globalisierten und vernetzten Welt ist kein Land groß genug, um
die globalen Herausforderungen alleine zu bestehen. Daher freue ich
mich, an dieser Diskussion teilnehmen zu können, und ich danke Singapur
für die Einladung.
Die COVID-19-Pandemie
ist nicht nur die schwerste Prüfung für unsere Generation. Sie ist auch
die größte Herausforderung für unser vor 75 Jahren gegründetes
multilaterales System. Der Grund dafür ist nicht etwa, dass der
Multilateralismus versagt hat. Der Grund dafür liegt darin, dass manche
von uns in ihrer Unterstützung für den Multilateralismus versagen.
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass ein Virus, das sich über die ganze Welt ausbreitet, zu globaler Zusammenarbeit führt.
Aber die Konfrontation zwischen China und den Vereinigten Staaten erschwert die globale Antwort darauf, beispielsweise im Sicherheitsrat. Und die Entscheidung der USA, aus der WHO auszutreten, bedauern wir zutiefst.
Wir sollten uns davon aber nicht entmutigen lassen. Denn die vergangenen Wochen haben auch gezeigt, wieviel wir erreichen können, wenn wir gemeinsam handeln:
Im Mai wurden in einer gemeinsam mit der Europäischen Kommission organisierten Konferenz 9,8 Milliarden Euro zugesagt, damit weltweit der Zugang zu Instrumenten im Kampf gegen COVID-19 bereitgestellt werden kann.Die GAVI-Wiederaufstockungskonferenz in der vergangenen Woche war ein weiterer wichtiger Schritt.Deutschland hat seine humanitäre Unterstützung für den COVID-19-Reaktionsplan der VN um 300 Millionen Euro erhöht.Darüber hinaus haben Länder auf der ganzen Welt ihre Beiträge an die WHO aufgestockt. Deutschland allein hat zusätzlich 200 Millionen Euro bereitgestellt.
Zum
jetzigen Zeitpunkt muss unsere Priorität sein, den Kampf um
Menschenleben zu gewinnen. Später werden wir dann natürlich auch unsere
Lehren aus der derzeitigen Krise ziehen. Aber das sollten wir in
konstruktiver Weise tun. Die Allianz für den Multilateralismus widmet
sich genau dieser Aufgabe.
Viele von Ihnen haben bereits die Erklärung der Allianz zum Kampf gegen COVID-19 unterzeichnet. In ihr wird universaler Zugang zu Medikamenten und einem Impfstoff als globales öffentliches Gut gefordert, sobald diese verfügbar sind. Die gerechte Verteilung wird von zentraler Bedeutung sein.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Sie zum nächsten Treffen der Allianz am 26. Juni einzuladen, bei dem es darum gehen wird, Möglichkeiten zur Stärkung der globalen Gesundheitsarchitektur zu diskutieren.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in einer Krise solchen Ausmaßes ist jedes Land der Welt klein. Aber gemeinsam können wir sogar die größten Herausforderungen bestehen. Diese so bestechend einfache Idee liegt den Vereinten Nationen zugrunde, die vor 75 Jahren geschaffen wurden. Heute ist sie wichtiger denn je.
Photo von João Silveira auf Unsplash