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Polizisten auf die Mülldeponie?

„Taz“-Beitrag sorgt für Ärger


In einem Beitrag der „Taz" sinniert die Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah über die Abschaffung der Polizei, als Reaktion auf Polizeigewalt und rechtsextreme Umtriebe in Dienststellen. Daran anschließend stellt sie sich die Frage, was mit den 250.000 arbeitslosen Beamten geschehen mag. Nachdem sie verschiedenste Berufsgruppen ausgeschlossen hat, kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Ex-Polizisten nur noch auf der Mülldeponie richtig aufgehoben seien.

Der Beitrag löste umgehend Kritik bei Polizeigewerkschaften aus. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) erstatteten Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Zudem richteten sie eine Beschwerde an den Deutschen Presserat. Auch mehrere Medienhäuser reagierten auf den satirischen Text. Die „B.Z.“ spricht von „Verachtung“ gegenüber den Polizist_Innen. Die „NZZ“ fühlt sich durch die Sprache der Autorin gar an „Nazi-Portale“ erinnert. Kritik gibt es auch innerhalb der „Taz“-Redaktion. Chefredakteurin Barbara Junge verweist zwar einerseits darauf, dass „Satire fast alles dürfe“, die Wortwahl jedoch manchmal „daneben“ sei. Wie auch im Text Yaghoobifarahs.

Was Satire alles darf und was nicht, soll an dieser Stelle nicht um ein weiteres Mal diskutiert werden. Die Strafanzeigen der Gewerkschaften sind sicherlich als reine Symbolpolitik zu erachten. Sollte ein Gericht zusammenkommen, um über den Beitrag zu entscheiden, würde dieser wohl als Ausdruck der Meinungs- und Pressefreiheit gewertet werden. Die Meinungs- und Pressefreiheit ist als Gesetz von Verfassungsrang gut geschützt. Zudem wurde der Ausdruck A.C.A.B. 2018 vom OLG Rostock als Beitrag der Meinungsfreiheit eingestuft. Auf diesen Ausdruck nimmt der Text in seiner Überschrift Bezug: „All Cops Are berufsunfähig“.

Kritiker verweisen zu Recht auf die derbe Sprache der Autorin. Diese mag nicht jedem und jeder gefallen und das ist auch verständlich und nachvollziehbar. Wer aber mit Strafanzeigen auf einen satirischen Text reagiert, handelt unangemessen. Dass hier Satire vorliegt, daran gibt es keinen Zweifel.  So ist doch die Abschaffung der Polizei in Deutschland so wahrscheinlich wie eine baldige Fußballmeisterschaft des FC Schalke 04. Die Überspitzungen der Kolumnistin mit Blick auf mögliche neue Tätigkeitsbereiche der Ex-Polizisten sind geradezu lächerlich. Und das macht die Autorin ganz bewusst. Eine kleine Kostprobe gefällig?

„Soziale Arbeit schon mal nicht. Das Problem löst sich nicht dadurch, dass ein Cop Uniform gegen Birkenstocks und Leinenhosen umtauscht. Ob Behörden, Lehrer_innen, Justiz, Politik, Ärzt_innen oder Sicherheitskräfte: Machtpositionen gegenüber anderen Menschen kommen nicht infrage. Streng genommen möchte man sie nicht einmal in die Nähe von Tieren lassen.“

Oder weiter:

 „Auch der Dienstleistungsbereich sieht schwierig aus. Post ausliefern lassen? Niemals. Zwischen Büchersendung und Schuhbestellung passt immer eine Briefbombe.“

Hier von ernstgemeinter Hetze auszugehen, erscheint doch eher unwahrscheinlich. Zumal die Zeilen der Autorin verglichen mit anderen Beiträgen der deutschen Satire und Comedylandschaft noch eher harmlos daherkommen.  Viel wichtiger als die Frage, was in dem Satirebeitrag steht, ist doch eher die Frage, wer ihn verfasst hat. Spätestens seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd wird weltweit über Rassismus und Polizeigewalt diskutiert. Ein wiederkehrender Apell in vielen Beiträgen ist „hört den PoC zu!“ Debatten über Rassismus können nur zielführend sein, wenn zunächst einmal diejenigen Menschen gehört werden, die direkt betroffen sind. Also Menschen nicht-weißer Hautfarbe, sprich People of Color (PoC). Und diese melden sich derzeit über viele verschiedene Wege zu Wort. Ob im öffentlich Rechtlichen bei Lanz und Co, oder über die Sozialen Medien. Und die Betroffenen, die zum Teil seit Kindergartenzeiten Diskriminierungen erleben, äußern sich halt nicht nur verletzt, beleidigt oder resigniert. Nein, einige sind schlicht und ergreifend wütend.  

Natürlich wünscht sich die Autorin nicht, dass Polizisten auf Müllhalden verfrachtet werden. Sicherlich nicht einmal, dass die Polizei abgeschafft werden sollte. Aber sie verweist auf die Gefahr, die von PolizistInnen mit rechtem Gedankengut ausgehen kann. Immer wieder werden Fälle von Rechtsextremisten in der Polizei publik. Beispiele gibt es zuhauf. Auch wenn Politiker diese gerne als „Einzelfälle“ abtun. In Sondereinheiten von Polizei und auch Bundeswehr kamen sogar ganze Netzwerke von Extremisten ans Licht. Aufgedeckt auch durch die wichtige Arbeit von „Taz“-Redakteuren. Eben jenem Blatt, das jetzt durch die Kolumne Yaghoobifarahs in der Kritik steht. Wenn die Institutionen, die dem Schutz der BürgerInnen zu Dienste sein sollten, von PoC als Bedrohung durch rassistisches Gedankengut und Racial Profiling wahrgenommen werden, dann ist es die Aufgabe von JournalistInnen, darauf hinzuweisen. Wie jetzt im Beitrag der Kolumnistin. Die erwartbaren Reaktionen auf ihren Text bringen die Diskussion um Rassismus und Polizeigewalt in diesem Land nicht voran. Wichtiger ist, festzustellen, dass eine immense gesellschaftliche Aufgabe vor uns liegt, individuellen und strukturellen Rassismus zu überwinden. Passend dazu weigerte sich die CDU gerade erst Anstrengungen zu unternehmen, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. Nun denn. Möglicherweise hat die Autorin zu diesem Thema ja auch noch einen bissigen Beitrag in Arbeit. Wünschenswert wäre es.


Foto: Markus Spiske / Unsplash