Münster - (lwl) - Die US-amerikanische Künstlerin Martha Rosler (*1943) ist eine kritische
Beobachterin des Weltgeschehens. Immer wieder legt sie ihren Finger in
Wunden und zeigt Ungerechtigkeiten auf. Ein Werk, das ab dem 9. Oktober
in der Ausstellung "Passion Leidenschaften" zu sehen ist: Ihre Arbeit
"Point & Shoot, a mourning thought (though I am more enraged than in
mourning)" (2016) zeigt ein Foto des US-amerikanischen Präsidenten
Donald Trump, der mit dem Zeigefinger in Richtung Kamera zielt. Im
Vordergrund ist in roter Farbe ein Ausspruch Trumps auf einer
Veranstaltung 2016 im US-Bundesstaat Iowa zu lesen. Demnach könne er
"mitten auf der Fifth Avenue stehen, jemanden erschießen und würde keine
Wähler verlieren, okay? Das ist echt unglaublich."
Im Hintergrund des Bildes sind neben US-amerikanischen Flaggen die Namen
von Schwarzen, Latinos und Menschen indigener Abstammung zu sehen, die
von der Polizei erschossen wurden. Dr. Petra Marx, Kuratorin der
Ausstellung mit mehr als 150 Exponaten: "Trumps aggressives Auftreten
vor dem Hintergrund patriotischer Symbole und einer Rhetorik, die Gewalt
verherrlicht, sind in diesen Tagen besonders aktuell: Die wachsende
Sichtbarkeit der "Black Lives Matter" Bewegung, die nach dem Tod von
George Floyd weltweit auf Polizeigewalt, Rassismus und Unterdrückung
aufmerksam macht, ist der der-zeitige Gegenpol zu Trumps Politik und
Emotionalität."
Die Künstlerin Rosler weise mit ihren Collagen und Installationen seit
den 1960er auf die Gegensätze einer vermeintlich heilen und sorglosen
Gesellschaft hin, die eigentlich auf Gewalt, Ausbeutung und Unglück von
Einzelnen und Gruppen basiere. "Martha Rosler ist in Münster durch ihre
Arbeit ,Unsettling the Fragments (Eagle) [Erschütterung der Fragmente
(Adler)]' für die Skulptur Projekte 2007 bekannt. Als wir die Arbeit
"Point & Shoot" angefragt hatten, ahnten wir nicht, dass deren
politische Brisanz vor der Ausstellungseröffnung dermaßen zunehmen
würde. In unserer Schau rund um Leidenschaften in der Kunst sind Werke
wie diese besonders geeignet, die Betrachterinnen dazu zu bewegen, ihre
eigene Position zu hinterfragen", so Marx.
"Passion Leidenschaft" schlägt einen Bogen von den Anfängen der
Gefühlsdarstellungen bis in die heutige Zeit. Die Darstellung
herzzerreißender, hochdramatischer, zutiefst beglückender und bis ins
Mark erschütternder Figuren und Szenen zieht sich als roter Faden durch
die gesamte Kunstgeschichte. Große Gefühle verändern die Welt, sie
beeinflussen unser Denken und Glauben, sie führen zu Krieg und
Widerstand. In Politik und Gesellschaft sind Emotionen aktueller denn
je. Die Schau versammelt Gemälde, Skulpturen, Fotos und
Videoinstallationen unter anderem von Matthias Grünewald, Peter Paul
Rubens, Anthonys van Dyck, Camille Claudel, Auguste Rodin, Egon Schiele,
Edvard Munch, Käthe Kollwitz, Hermann Nitsch, Bill Viola und Maria
Lassnig.
Titelbild: Martha Roslers zeitgenössisches Werk "Point & Shoot" (2016)
verbindet Trumps Rhe-torik mit dem Rassismus gegen Schwarze, Latinos und
Indigene in den USA. Martha Rosler, POINT & SHOOT, a mourning
thought (though I am more enraged than in mourning), 2016, Digital Print
on vinyl.
© Martha Rosler und Galerie Nagel Draxler Berlin/Köln/München