„Unruhige Zeiten. Leben und Lebensgefühl der 1970er Jahre in Münster“ – unter diesem Motto leitete Dr. Alfred Pohlmann am 1. Juli durch den Mittwochstreff im Münsteraner Stadtmuseum. Die Mittwochstreffs finden in unregelmäßigen Abständen statt und beleuchten unterschiedlichste Ausschnitte der Stadtgeschichte. Weil es für das dieswöchige Thema mehr Interessenten als freie Plätze gab – nur 15 Zuhörer konnten zugelassen werden –, wird der gleiche Vortrag voraussichtlich später im Jahr wiederholt.
Mit zeitgenössischen Fotos veranschaulichte Pohlmann sein historisches Panorama der Siebziger. Münster, so wollte er zeigen, war nicht nur verschlafene Provinz und „Hort der Seligen“. Auch durch die Domstadt fegte der frische Wind der 68er. Studenten standen Schlange, um sich in die Universität einzuschreiben, die bald aus allen Nähten platzte. Lauthals skandierten junge Menschen ihre Forderungen; unter anderem verlangten sie, an der Wahl des Rektors teilzuhaben. Weil Immobilienbesitzer Altbauten abreißen ließen und bezahlbarer Wohnraum knapp wurde, besetzten die Studenten leerstehende Häuser. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür lag an der Frauenstraße 24.
Dabei gab sich nicht nur das studentische Milieu demonstrationslustig. Bei Protesten gegen Immobilienspekulation und teure Mieten ließ sich nun vermehrt auch das Münsteraner Bürgertum blicken. Schon 1969 hatte die Stadtbevölkerung ihre Bereitschaft bewiesen, auf die Straße zu gehen, wie Pohlmann berichtete. Damals bildete sich eine demonstrierende Menschenmenge vorm Rathaus, weil darin Kurt Georg Kiesinger, der mit einer Nazi-Vergangenheit belastete Bundeskanzler, empfangen wurde. Wie stark aufgeladen das politische Klima der Ära war, unterstrich der Münster-Besuch eines späteren Kanzlers: Helmut Schmidts kurze Visite in der Polizei-Führungsakademie in Hiltrup fand unter schärfsten Sicherheitsauflagen statt, mit Panzerwagen und Scharfschützen auf den Dächern.
Pohlmann ging am Mittwoch aber auch auf die erfreulicheren Seiten der Siebziger ein. So erinnerte er an knallige Farben in der Mode, Schlaghosen und Hotpants, die damals bei der älteren Generation Entsetzen auslösten. Außerdem referierte er amüsante Anekdoten aus der Kulturwelt, etwa über „Pool-Partys“ in Discos oder über die Empörung von Münsters Kleinbürgern angesichts des Anschaffungspreises der Skulptur „Drei rotierende Quadrate“ an der Engelenschanze. Insgesamt gelang es Pohlmann, ein anschauliches und lebendiges Bild eines turbulenten Jahrzehnts zu zeichnen, das die Bundesrepublik stark geprägt hat und noch heute nachwirkt.