Münster - Infektionszahlen auswerten, an Hygienekonzepten
feilen, im Home-Office durchhalten - so könnte man sich den
Arbeitsalltag vieler Beschäftigten der Stadtverwaltung Münster in diesen
Monaten vorstellen. Doch das trifft nur zum Teil zu. Trotz Krisenmodus
treiben alle Dezernate Projekte voran, die in die Zukunft weisen und von
Corona nicht ausgebremst werden. In einer Serie geben wir Einblick.
Heute: Wie die Stadt Berge von Papierrechnungen vermeiden will und daher
in großen Schritte zur digitalen Rechnungsbearbeitung geht.
800
dicke Ordner füllen alle auf Papier gedruckten Rechnungen, die pro Jahr
bei der Stadt Münster ankommen. Und jedes dieser Papierdokumente muss
zehn Jahre aufbewahrt werden. "8000 Ordner voller Rechnungen. Das sind
so viele, dass wir die gar nicht hier in der Stadtkasse aufbewahren
können. Sonst hätten wir selbst keinen Patz mehr", sagt Frank Möller
lachend. Auch deshalb arbeitet der Projektleiter für die digitale
Rechnungsbearbeitung im Amt für Finanzen und Beteiligungen daran, dass
in Zukunft sämtliche Rechnungen und Belege in einer riesigen
elektronischen Datenbank landen - papierlos, ämterübergreifend
zugänglich, übersichtlich und schnell zu bearbeiten.
Die
EU-weite Ausschreibung für eine SAP-integrierte Software läuft zurzeit,
noch im Sommer könnte der Auftrag erteilt werden. 2023 soll die
komplette Verwaltung auf rein digitale Rechnungsbearbeitung umgestellt
sein. "Das ist ein klassisches Projekt für medienbruchfreie
Bearbeitungen. Es geht zwar von meinem Dezernat aus, betrifft aber alle
Ämter der Stadtverwaltung - es gibt hier niemanden, der nicht mit
Rechnungen zu tun hat", sagt Münsters Kämmerin Christine Zeller.
120 000 Rechnungsbelege pro Jahr im Postkasten
Ob
es sich nun um den Einkaufsbeleg einer Honorarkraft in der Jugendarbeit
handelt oder um die hundert Positionen umfassende Abrechnung eines
Großunternehmens, das für die Stadt Münster einen Neubau hochzieht - 80
Prozent der jährlich etwa 120 000 Rechnungsbelege werden noch ganz
traditionell in die Postkästen der Stadtverwaltung geworfen. Dann nehmen
die Briefe ihre Wege in die Fachämter. Bei einer Papierrechnung weiß
ein Mitarbeiter nicht immer genau, was ein anderer vielleicht schon
bearbeitet hat. "Dann sind unter Umständen mehrere Anrufe notwendig, bis
zum Beispiel klar ist, ob ein ausstehender Betrag freigeben wurde",
erklärt Möller. Eine "deutliche Effizienzsteigerung" erwartet Kämmerin
Zeller von der Digitalisierung. Es gehöre zum Selbstverständnis eines
modernen Dienstleisters, digitale Prozesse nach innen und außen zu
fördern, so die Dezernatsleiterin.
Jeder,
der für die Stadt Münster eine Leistung erbracht hat und sein Geld
dafür bekommen will, kann Frank Möller und sein Team schon jetzt bei
ihrem Zukunftsprojekt unterstützen. "Eine PDF-Datei zu erstellen und uns
die Rechnung in diesem Format per E-Mail zu schicken - das ist ja ganz
einfach", sagt der Projektleiter. Eine zentrale E-Mail-Adresse hat die
Verwaltung dafür eingerichtet: Über rechnung@stadt-muenster.de gelangt jede Rechnung schon heute an die richtige Stelle - wenn auch noch nicht vollständig digital.
Dass
die Unternehmen die Entwicklung hin zur Digitalisierung unterstützen -
dessen ist sich Möller sicher. Auch deshalb, weil die Stadt Münster sich
zuvor informiert hat bei Behörden, die schon einen Schritt weiter sind
in der digitalen Rechnungsbearbeitung. "Wir haben bisher immer gehört,
dass die Städte bei den meisten Firmen offene Türen eingerannt seien und
so in einem Jahr ein Plus von 50 Prozent bei den digitalen
Rechnungseingängen verzeichnen konnten. Schließlich sparen die
Unternehmen Porto- und Druckkosten", sagt Möller. Er schätzt, dass in
Münster schon im Jahr des Projektabschlusses der Anteil der
elektronischen eingehenden Rechnungen mehr als doppelt so hoch sein wird
wie jetzt.
PDF-Dateien oder
eingescannte Rechnungen sind aber nur der Anfang. Strukturierte Daten in
so genannten XML-Dokumenten hingegen der Standard der Zukunft - und bei
einigen großen Unternehmen auch schon gebräuchlich. "Rechnungen in
diesem Format sind zu hundert Prozent maschinenlesbar, man muss nicht -
wie zum Beispiel bei Scans - noch einmal auf Richtigkeit prüfen. Und
die unübersichtlichen Datenkolonnen kann der Computer sogar in ein Bild
verwandeln, das für das menschliche Auge wieder lesbar wird", sagt der
Projektleiter.
Annehmen und bearbeiten
kann Münsters Verwaltung alle Arten von e-Rechnungen schon jetzt - eine
EU-Richtlinie schreibt das seit April 2020 vor. Aber die Software, die
in etwa einem Jahr die ersten Ämter dabei unterstützen soll, vermag
mehr. Möller: "Natürlich stehen am Anfang erst einmal
Investitionskosten, die Software aber hilft später, Geld zu sparen. Zum
Beispiel, weil sie nichts vergisst. Habe ich eine Rechnung mit
Skontofrist in diesem System hinterlegt, meldet es sich, bevor diese
Frist abläuft."
Nach Tests und
Schulungen sollen ab Sommer 2021 zunächst drei Pilotämter diese neuen
Möglichkeiten nutzen: das Personal- und Organisationsamt, das Amt für
Immobilienmanagement und die Stadtbücherei. "Mit dem Amt für
Immobilienmanagement haben wir eine Einrichtung dabei, die oft komplexe
Rechnungen bearbeitet. Dies ist eine Herausforderung für die Software.
Daher sammeln wir schon jetzt Anregungen aus den Pilotämtern", so
Möller. Denn die erforderlichen Änderungen erst im Nachhinein
umzuprogrammieren, koste zu viel Zeit - auch das eine Erfahrung anderer
Verwaltungen.
Dass die Mitarbeiter der
Kommune den großen Schritt zur Digitalisierung gerne mitgehen, liege
auch an den Erfahrungen aus der Corona-Zeit, so Christine Zeller. "Die
aktuelle Krise zeigt die Möglichkeiten digitaler Zusammenarbeit, die
Scheu davor ist deutlich geringer geworden." Frank Möller betont einen
weiteren Aspekt: "Kollegialität zeigt sich bei uns nicht dadurch, dass
wir uns untereinander Papierrechnungen in die Hand drücken, sondern
durch gemeinsames Arbeiten an einem Prozess - am besten natürlich
digital unterstützt."
Titelbild: Stadt Münster