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Mond ist 4,425 Milliarden Jahre alt

Die Geburtsstunde des Mondes schlug etwas später als bisher vermutet. Sie ereignete sich, als ein marsgroßer Protoplanet bei der Kollision mit der jungen Erde zwar zerstört wurde, aber aus den Trümmern dieser Katastrophe ein neuer Körper entstand – der Mond.

Planetologinnen und Planetologen um Maxime Maurice vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben nun mit einem neuen numerischen Modell rekonstruiert, wann dies geschah: vor 4,425 Milliarden Jahren.

Anatomie des frühen Mondes Copyright:Maxime Maurice/ Science Advances

Die bisherigen Annahmen für die Entstehung des Mondes gingen von 4,51 Milliarden Jahren aus. Der Mond ist also fast 100 Millionen Jahre jünger als bisher angenommen. „Es ist das erste Mal, dass das Alter des Mondes direkt mit einem Ereignis in Verbindung gebracht werden kann, das am Ende der Erdentstehung passierte - der Entstehung des Kerns der Erde", betont Prof. Dr. Thorsten Kleine vom Institut für Planetologie der WWU. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Science Advances" erschienen.

Die Erde wurde vor 4,425 Milliarden Jahren von einem Protoplaneten getroffen. Copyright:NASA/JPL/Caltech

Hintergrund und Methode:

Das Sonnensystem war vor viereinhalb Milliarden Jahren noch eine chaotische Welt. Die Erde wuchs gerade zu ihrer heutigen Größe heran und sammelte noch immer Materie in Form von sogenannten „Planetesimalen" auf, die sich zuvor in der Scheibe aus Staub und Gas gebildet hatten, welche die junge Sonne umkreiste. Die junge Erde wuchs nach und nach auf ihre heutige Größe heran, dabei wurde sie in ihrem Inneren ständig heißer. Immer größere Anteile des Gesteinsmantels schmolzen auf und bildeten einen Magmaozean. Zu jener Zeit bekam die Erde auch ihren Trabanten, der sie bis heute umkreist. Er ist das Ergebnis einer gewaltigen kosmischen Kollision der Erde mit einem Protoplaneten, bei dem Gestein aus der jungen Erde herausgeschleudert wurde und sich zu einem neuen planetaren Körper zusammenballte.

Über die Entstehungsgeschichte sind sich die meisten Wissenschaftler zwar im Prinzip einig, nicht aber über den Vorgang im Einzelnen, und vor allem nicht über den Zeitpunkt. „Das Ergebnis unserer Modellierungen legt nahe, dass die junge Erde rund 140 Millionen Jahre nach der Geburt des Sonnensystems vor 4,567 Milliarden Jahren von einem Protoplaneten getroffen wurde. Das geschah nach unseren Berechnungen vor 4,425 Milliarden Jahren – mit einer Unsicherheit von 25 Millionen Jahren", fasst Maxime Maurice vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung und Erstautor der Studie die Untersuchungen zusammen. „Das war die Geburtsstunde des Mondes."

Die Entwicklung der Erde zu einem Planeten war zu diesem Zeitpunkt gerade abgeschlossen. In deren Verlauf sanken im Inneren der Erde die schweren, metallischen Bestandteile ins Zentrum und bildeten einen Kern aus Eisen und Nickel, der nun von einem mächtigen Mantel aus silikatischen Gesteinen umgeben war. Die Mantelgesteine wurden durch die ‚Akkretion', dem Zusammenballen der Materie, und der Wärme aus dem Zerfall radioaktiver Elemente immer heißer, sodass eine Trennung von Metall und Silikat im Inneren der Erde innerhalb von einigen Zehnermillionen Jahren stattfinden konnte.

Ein planetarer Volltreffer als Geburtsstunde des Mondes

In diesem Stadium wurde die Erde von einem etwa marsgroßen Protoplaneten getroffen, der unter dem Namen Theia in der Sonnensystemforschung kursiert. In der Frühzeit des Sonnensystems dürften zahlreiche Körper dieser Art existiert haben: Zum Teil wurden sie aus dem Sonnensystem hinausgeschleudert, zum Teil durch Kollisionen mit anderen Körpern zerstört. Theia indes traf die Erde mit voller Wucht und schleuderte so viel Material aus dem Erdmantel, dass sich daraus der Mond formen konnte. Bei diesem heftigen Aufprall bildete sich ein Magmaozean aus glühend heißem, geschmolzenen Gestein von mehreren tausend Kilometern Tiefe. Von Theia gibt es nach dieser gewaltigen Kollision heute keine Spuren mehr, die man nachweisen könnte.

Um die bei diesem Ereignis ausgelöste Entstehung des Mondes nachvollziehen zu können, erfordert es einiges an Vorstellungsvermögen und Phantasie: Die Kollision der beiden Körper verdampfte mit ihrer gewaltigen Energie auch eine riesige Menge an Gestein aus dem frühen Erdmantel. Es wurde herausgeschleudert und sammelte sich in einem Ring aus Staub um die Erde, ehe es sich dort wieder zu Gestein zusammenballte. „Daraus entstand in kurzer Zeit, in vermutlich nur wenigen Tausend Jahren, der Mond", erklärt Professorin Doris Breuer vom DLR und Co-Autorin der Studie.

Das älteste Mondgestein ist nicht alt genug

Über die Entstehungsgeschichte des Mondes herrscht unter Wissenschaftlern weitgehend Einigkeit. Allerdings konnten sie bis jetzt die Entstehung des Mondes nicht genau datieren, da es keine von den Astronauten der sechs Apollo-Missionen und den drei robotischen sowjetischen Luna-Missionen zur Erde gebrachten Mondgesteine gibt, die das Entstehungsalter des Erdtrabanten direkt konservieren. Mithilfe einer neuen, indirekten Methode haben die Forscher vom DLR und der WWU rekonstruiert, wann der Mond entstanden ist.

Nicht nur die Erde hatte in ihrer frühen Jugend einen Magmaozean. Auch im jungen Mond konnte sich durch Akkretionsenergie ein Magmaozean entwickeln. Der Mond schmolz fast vollständig auf und wurde, wie auch die Erde, von einem möglicherweise über 1000 Kilometer tiefen Magmaozean bedeckt. Dieser Magmaozean begann zwar schnell zu kristallisieren und bildete an der Oberfläche, der ‚Schnittstelle' zum kalten Weltall, eine Mondkruste aus aufschwimmenden leichten Kristallen. Aber unter dieser isolierenden Kruste, die das weitere Abkühlen und Auskristallisieren des Magmaozeans bremste, blieb der Mond lange geschmolzen. Bisher konnten Wissenschaftler nicht feststellen, wie lange es dauerte, bis der Magmaozean vollständig kristallisiert war – weshalb sie auch nicht ausmachen konnten, wann sich der Mond ursprünglich bildete.

Für die Berechnung der Lebensdauer des Magmaozeans des Mondes verwendeten die Wissenschaftler in ihrer aktuellen Studie ein neues Computermodell, das erstmals die Vorgänge bei der Kristallisation des Magmaozeans umfassend berücksichtigte. „Die Ergebnisse des Modells zeigen, dass der Magmaozean des Mondes langlebig war und es fast 200 Millionen Jahre dauerte, bis er vollständig zu Mantelgestein auskristallisierte", betont Maxime Maurice. „Die Zeitskala ist viel länger als in früheren Studien berechnet", ergänzt DLR-Kollege Dr. Nicola Tosi. „Ältere Modelle gingen von einer Kristallisationsdauer von nur 35 Millionen Jahre aus."

Kristallisationsmodelle zeigten das Alter des Mondes – und der Erde

Um das Alter des Mondes zu bestimmen, mussten die Wissenschaftler einen Schritt weitergehen. Sie berechneten, wie sich die Zusammensetzung der magnesium- und eisenreichen Silikatmineralien, die sich während der Kristallisation des Magmaozeans bildeten, mit der Zeit veränderte. Das Ergebnis: Die Forscher stellten eine kontinuierliche Veränderung der Beschaffenheit des verbleibenden Magmaozeans im Laufe der fortschreitenden Kristallisation fest. Diese Erkenntnis ist von Bedeutung, da die Autoren so die Bildung verschiedener Gesteine vom Mond mit einem bestimmten Stadium in der Entwicklung seines Magmaozeans in Verbindung bringen konnten. „Durch den Vergleich der gemessenen Zusammensetzung der Mondgesteine mit der vorhergesagten Zusammensetzung des Magmaozeans aus unserem Modell konnten wir die Entwicklung des Ozeans bis zu seinem Ausgangspunkt, dem Entstehungsalter des Mondes, zurückverfolgen", erklärt DLR-Planetenforscherin Sabrina Schwinger.

Das genaue Alter des Mondes stimmt bemerkenswert gut mit einem zuvor mit der Uran-Blei-Methode bestimmten Alter für die Bildung des metallischen Erdkerns überein, mit dem die Entstehung des Planeten Erde ihren Abschluss fand.


Förderung:

Die Arbeiten wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio 170 „Späte Akkretion auf terrestrischen Planeten" und der Helmholtz-Nachwuchsgruppe „Early Dynamics of the terrestrial planets" durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert.

Originalpublikation:

M. Maurice, N. Tosi, S. Schwinger, D. Breuer, T. Kleine (2020). A long-lived magma ocean on a young Moon. Science Advances; DOI: 10.1126/sciadv.aba8949


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Universität Münster - Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Svenja Ronge

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Links: Originalpublikation in "Science Advances"

https://advances.sciencemag.org/content/6/28/eaba8949.abstract Sonderforschungsbereich/ Transregio 170 "Späte Akkretion auf terrestrischen Planeten"

https://www.trr170-lateaccretion.de/overview Forschergruppe Prof. Thorsten Kleine an der WWU

https://www.uni-muenster.de/Planetology/ifp/personen/kleine_thorsten/profil.shtml Forschergruppe Dr. Doris Breuer am DLR

https://www.dlr.de/pf/en/desktopdefault.aspx/tabid-8638/14858_read-37075/


Titelbild: Magmaozean und erste Gesteinskruste auf dem Mond

Copyright: NASA/Goddard Space Flight Center