Münster - Infektionszahlen auswerten, an Hygienekonzepten feilen, im
Home-Office durchhalten - so könnte man sich den Arbeitsalltag vieler
Beschäftigter der Stadtverwaltung in diesen Monaten vorstellen. Doch das
trifft nur zum Teil zu. Trotz Krisenmodus treiben alle Dezernate
Projekte voran, die in die Zukunft weisen und von Corona nicht
ausgebremst werden. In einer Serie geben wir Einblick. Heute: Münsters
Glasfasernetz.
"Viele glauben noch, Glasfaser braucht man nicht unbedingt. Aber als sie
während der Pandemie zu Hause in der Videokonferenz saßen, während die
Kinder Netflix guckten, ist das Internet vielleicht doch mal in die Knie
gegangen", sagt Rainer Baldus, Ingenieur beim Amt für Mobilität und
Tiefbau und dort Projektleiter für den Bau der Glasfaser-Trassen. Auf
diese Weise hat Corona vielleicht sogar Anschub gegeben für die
Akzeptanz der neuen Technologie mit extrem leistungsfähigen
Lichtwellenleitern. Sie übertragen bis zu ein Gigabit pro Sekunde. Zum
Vergleich: Die Übertragung der meisten Haushalte liegt bei 50 Megabit
pro Sekunde.
Bis zu 50 Hausanschlüsse in einer Woche
"Corona hat unsere Pläne zwischenzeitlich ins Stocken gebracht. Zurzeit
entspannt sich die Situation wieder. Wir kommen ziemlich gut voran",
erklärt Gerald Eicker, Projektleiter für den Glasfaser-Ausbau bei den
Stadtwerken Münster. Die Stadtwerke bringen die Glasfaser-Technologie in
die Haushalte der Münsteraner und verlegen aktuell im Hansaviertel
optische Datenleitungen für blitzschnelles Internet. Vielfältige Hilfe
kommt aus dem Tiefbauamt. In einer Woche schafft die Wanderbaustelle
etwa 750 Meter und damit im eng besiedelten Hansaviertel bis zu 50
Hausanschlüsse. "Vor einem Wohnhaus das Pflaster aufnehmen, die
Leitungen verlegen, alles wieder zumachen - das geht innerhalb eines
Tages", sagt Rainer Baldus. Dabei geht es nicht immer nur um schnelles
Internet: An vielen Stellen erneuert die Stadt im gleichen Schritt den
Gehweg. Das Tiefbauamt steht im ständigen Kontakt mit den Stadtwerken.
Baldus: "Ganz gleich, ob es um wegfallende Parkplätze geht oder
Straßenbäume, deren Wurzeln geschützt werden müssen - wir kümmern uns
zusammen mit anderen Fachämtern um viele Themen."
Ausgangspunkt für Münsters neues Glasfasernetz ist eine Datenautobahn,
die sich ringförmig um die Innenstadt legt. Von hier aus verlaufen die
neuen Leitungen über Haupttrassen in die Viertel und deren Straßen. Und
ab da wird in jedes Haus, dessen Besitzer sich für die künftige
Versorgung mit optischer statt elektrischer Datenübertragung entschieden
hat, eine eigene Zuleitung gelegt. "Bis dahin ist das Ganze kostenlos.
Wer anschließend Glasfaser-Internet in seiner Wohnung haben will,
braucht dafür zum Beispiel einen geeigneten Router", erklärt Gerald
Eicker. Internet-Versorger werden dann die Stadtwerke mit den
Glasfaser-Tarifen "Münster Highspeed". Bevor das städtische
Tochterunternehmen damit Geld verdient, geht es in Vorleistung - es
investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in den Leitungsausbau in
den beiden Pilotvierteln im Zentrum.
Dem Hansaviertel vorausgegangen ist das Kreuzviertel. Es ist bereits
annähernd komplett mit Glasfaser versorgt. "Hier haben wir knapp 900 von
rund 1100 möglichen Anschlüssen realisiert", zieht Eicker Bilanz. Schon
im Sommer gehen voraussichtlich auch die ersten Bewohner des
Hansaviertels ans Glasfasernetz. "Dann gibt es 'volle Brause' bis ins
Haus", sagt Rainer Baldus - weiß aber auch, dass einige Viertelbewohner
vom Nutzen noch nicht überzeugt sind. "Zurzeit haben die meisten keine
Endgeräte, die Glasfaser erfordern. Aber das wird sich ändern, die
Industrie zieht jetzt nach."
Breitband das Herzstück der digitalen Entwicklung
Auch Münsters IT-Dezernent Wolfgang Heuer ist sich bewusst, dass viele
Verbraucher noch zögern, sich für die neuen digitalen Möglichkeiten zu
entscheiden. "Zunächst werden wohl vor allem Unternehmen, Behörden und
Selbstständige, die schnelle Internetleitungen zu Hause brauchen,
Haupttreiber der neuen Technologie sein." Aber Heuer rechnet fest mit
einem schnellen Wandel: "Die digitale Entwicklung wird die Zukunft der
Gesellschaft bestimmen. Und Breitband ist nun einmal das Herzstück
davon."
Das nächste Projekt ist jedenfalls schon in Vorbereitung: Die
Wanderbaustellen werden sich künftig durch den Stadtteil Amelsbüren
arbeiten. Und sie werden die so genannten "weißen Flecken" erschließen -
Gebiete vor allem in den Außenbezirken Münsters, in denen
Datenübertragung noch besonders langsam läuft. 450 Kilometer
Tiefbautrasse werden hier für etwa 2000 Hausanschlüsse sowie
Gewerbeadressen, Schulen und Krankenhäuser notwendig sein - im Gegensatz
zu den nur etwa 17 Kilometern für rund 1000 Zuleitungen im dicht
besiedelten Hansaviertel. Bund und Land fördern das Projekt zu 90
Prozent. Zehn Prozent zahlt die Stadt, dieser Anteil entspricht 3,3
Millionen Euro.
Titelbild: Stadt Münster
Alter Keller, modernes Internetkabel: So sieht es aus, wenn die Glasfaserversorgung im Haus angekommen ist. Nun fehlt noch ein geeigneter Router, um das blitzschnelle Internet in die Wohnung zu leiten.