Die Drohmail-Affäre innerhalb der hessischen Polizei zieht immer
weitere Kreise. Die Zahl der Opfer der rechtsextremistischen
Drohschreiben erhöhte sich laut Medienberichten inzwischen auf acht -
allesamt Frauen. Laut Bundesinnenministerium sind Daten bei der Polizei
nicht grundsätzlich vor Missbrauch sicher. Der hessische Innenminister
Peter Beuth (CDU) ernannte nach dem Rücktritt von Landespolizeipräsident
Udo Münch einen Nachfolger und versprach Reformen, doch die Kritik an
seiner Person wird lauter. Die wichtigsten Fragen im Überblick:
Wer sind die Bedrohten?
Acht Frauen haben mittlerweile rechtsextreme Drohschreiben mit dem Absender "NSU 2.0" erhalten. Die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz aus Frankfurt am Main war bereits 2018 betroffen. Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler immer wieder bedroht wurde. Auch die Linken-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus Anne Helm und die Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner und Helin Evrim Sommer erhielten Todesdrohungen.
Am Dienstag wurde öffentlich, dass die Berliner Kabarettistin Idil Baydar ebenfalls betroffen ist. Medienberichten zufolge sollen außerdem die ZDF-Moderatorin Maybrit Illner und die "taz"-Autorin Hengameh Yaghoobifarah bedroht worden sein. Yaghoobifarah hatte im Juni mit einer umstrittenen Polizei-Kolumne für Aufsehen gesorgt. Die Opfer haben gemeinsam, dass sie sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und für Integration stark machen. Beispielsweise hatte Basay-Yildiz im NSU-Prozess Opferfamilien vertreten.
Was ist geschehen und wie ist der Stand der Ermittlungen?
Die Daten von Wissler und Baydar sollen seit März 2019 von Polizeicomputern in Frankfurt am Main und Wiesbaden abgefragt worden sein. Jeweils kurze Zeit nach den Abfragen erhielten die Frauen Drohschreiben. Nach Bekanntwerden der Drohungen gegen Basay-Yildiz wurde wegen des Verdachts eines rechtsextremen Netzwerks innerhalb der Polizei in Frankfurt am Main ermittelt.
Innenminister Beuth erfuhr von den Drohmails gegen Wissler und in einem weiteren Fall nach eigenen Angaben erst vergangene Woche. Der damalige Landespolizeipräsident Münch, der von Mitarbeitern bereits im März über die Abfragen informiert worden sei, habe die Informationen nicht weitergegeben.
Die Daten einer Betroffenen sollen im März 2019 von einem Wiesbadener Polizeirechner abgefragt worden sein. Bislang konnte nach Angaben Beuths nicht geklärt werden, welcher dienstliche Anlass Grund für die Abfrage war. Trotz der zeitlichen Zusammenhänge der Datenabfragen mit den erfolgten Drohungen habe bisher kein kausaler Zusammenhang ermittelt werden können, so der Innenminister. Laut Staatsanwaltschaft Frankfurt wird seit August 2018 strafrechtlich zu dem Drohmail-Komplex ermittelt.
Was sind die bisherigen Konsequenzen?
Beuth ernannte am Freitag einen neuen Landespolizeipräsidenten, nachdem Münch am Dienstag zurückgetreten war. Sonderermittler Hanspeter Mener soll nun dem neuen Landespolizeipräsidenten Roland Ullmann über alle Ermittlungsstände unmittelbar berichten.
Beuth stellte am Freitag außerdem einen Maßnahmekatalog zur hessischen Polizei vor. Neben den bereits bekannten Maßnahmen wie der Einsetzung Meners und der Reform des polizeilichen Abfragesystems kündigte Beuth unter anderem die Einsetzung einer unabhängigen Experten-Kommission an, "die Strukturen in der Polizei untersuchen" soll.
Die Daten von Bürgern auf Polizeicomputern sind laut Bundesinnenministerium nicht grundsätzlich vor Missbrauch durch Polizisten geschützt. "Man kann nicht hundertprozentig die Aussage treffen, dass es niemals zu einem Missbrauch kommen kann", sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch.
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Annalena DÖRNER / © Agence France-Presse