Münster - Infektionszahlen auswerten, an Hygienekonzepten feilen, im
Home-Office durchhalten - so könnte man sich den Arbeitsalltag von
Beschäftigten der Stadtverwaltung in diesen Monaten vorstellen. Doch das
trifft nur zum Teil zu. Trotz Krisenmodus treiben alle Dezernate
Projekte voran, die in die Zukunft weisen und von Corona nicht
ausgebremst werden. In einer Serie geben wir Einblick. Diese Folge
handelt vom Umzug kostbarer Objekte aus dem Stadtmuseum Münster in das
moderne Depot für Kulturschätze in der Speicherstadt in Coerde.
Dr. Edda Baußmann ist fast so etwas wie die Umzugsbeauftragte des
Museums. "Als ich 2002 hier anfing, war meine erste Aufgabe, Objekte in
ein Außenlager in der Speicherstadt zu bringen. Und jetzt verlagere ich
genau diese Gegenstände in unser neues Magazin, wenige hundert Meter
weiter", sagt die Historikerin, die für das Haus an der Salzstraße den
städtischen Kunstbesitz betreut. 18 Jahre liegen dazwischen, und die
Umzüge könnten unterschiedlicher nicht sein. "Ein Teil unseres
bisherigen Außenlagers befindet sich auf einem Dachboden, in der
fünften Etage eines ehemaligen Getreidespeichers. Im Sommer heiß, im
Winter kalt", erzählt Edda Baußmann. "Außerdem drängte sich alles viel
zu eng zusammen. Nach Dingen zu suchen, war frustrierend - aber das hier
macht jetzt richtig Spaß."
Die Historikerin steht in einem der beiden Magazine, die die Stadt
Münster für ihre Museumsbestände im 2019 eröffneten Zentraldepot für
Kunst und Kulturgut des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)
angemietet hat. Der etwa 600 Quadratmeter große, fensterlose Raum ist
hell ausgeleuchtet, angenehm klimatisiert, hat Abstellflächen auf dem
Fußboden sowie praktisches Mobiliar - riesige Schubladenschränke und
Schwerlastregale, die bis zu 2200 Kilo tragen. Weltkriegsbomben, ein
Hektograph zur Vervielfältigung der Predigten des Kardinals von Galen,
Stühle aus dem Café Müller der 1950er-Jahre, Registrierkassen,
Krippenfiguren und historische Fahrräder und vieles mehr wurden hier
schon einsortiert.
Nicht mehr als 50 Prozent Luftfeuchtigkeit
Museen aus der ganzen Region dürfen das Zentraldepot des LWL nutzen, um
ihre wertvollen Besitztümer sachgerecht zu lagern. Die Räume sind
individuell klimatisiert, zum Beispiel bei konstanten 19 Grad
Raumtemperatur und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit - ideal vor allem für
historische Möbel und Gemälde. "Wir haben hier ein Kombi-Magazin unter
anderem für Mobiliar, Skulpturen und technische Geräte. Unser zweiter
Raum ist gut 200 Quadratmeter groß - ein Gemäldedepot mit
herausziehbaren Gitterwänden", beschreibt Restauratorin Nora Möller vom
Stadtmuseum. Sicherheit geht vor: Räume wie das gesamte Depot sind mit
einem besonderen Schließsystem ausgestattet. Münsters Kulturdezernentin
Cornelia Wilkens freut sich über den Umzug: "Das Depot zu nutzen, ist
eine große Chance für unser Stadtmuseum. Wir haben dadurch mehr Platz
für das Kulturgut und die stets wachsende Sammlung des Museums." Die
eingelagerten Werke bildeten die Grundlage für die stadthistorische
Arbeit des Hauses an der Salzstraße.
Nora Möller und Edda Baußmann sind immer vor Ort, wenn LKW mit Objekten
aus Münsters Stadtgeschichte im neuen Depot vorfahren. Die bringen auch
Gegenstände aus dem Museumsmagazin an der Salzstraße. "Unsere Depots im
Stadtmuseum selbst sind zwar professionell ausgestattet, platzen aber
ebenfalls aus allen Nähten", erklärt Nora Möller. In den nun frei
werdenden Räumen bereiten die Fachleute künftig Ausstellungen vor oder
stecken Leihgaben vorsorglich in Quarantäne. "Da sitzen zwar keine Viren
drin, aber vielleicht Holzschädlinge, Papierfischchen oder
Kleidermotten. Und die möchte man ja nicht ins Museum einschleppen", so
die Restauratorin.
Noch 45 LKW-Fuhren
Bis in den Hochsommer hinein wird unter restauratorischer Aufsicht
fachgerecht verpackt und transportiert. Insgesamt stehen 15 Umzugstage
mit 45 Lkw-Fuhren an. Extrem unhandliche Kandidaten - wie das Fragment
eines Rathauskapitells mit gut 400 Kilo Gewicht - werden auf
Kunststoffpaletten gepackt und gelagert. "Auch in Holzpaletten könnten
Schädlinge stecken", sagt Nora Möller. Zahlreiche Leichtgewichte finden
ihren Platz in der so genannten Compactus-Anlage, einem platzsparenden
Lagersystem mit raumhohen Regal- und Schubladenwänden, die sich über ein
Handrad verschieben lassen.
Edda Baußmann hat sich einen schmalen Gang zwischen zwei
Compactus-Regalen freigeschoben. Sie steht zwischen historischem
Haushaltsgerät aus Münster - Toastern, Kaffeemühle und Waffeleisen,
Tintenfass, Türklinken und Kleiderhaken. "Das müssen wir alles mit
seinem exakten Standort in unserer Museumssoftware hinterlegen. Unser
siebenköpfiges Team geht akribisch vor. Ein Tippfehler - und so ein
kleines Teil ist unauffindbar", weiß die Historikerin.
Stolze sechs Jahrhunderte umfasst die Sammlung, die in den Depot-Neubau
wandert. Ist die adäquate Lagerung der Objekte am neuen Standort
vollzogen, sieht Kulturdezernentin Wilkens eine weitere Herausforderung:
"Seine historische Fotosammlung hat das Museum bereits in weiten Teilen
online erfasst. Doch in Zukunft werden immer mehr rein digitale
Nachlässe vererbt und in Ausstellungen im Zentrum stehen. Digitale
Strategien und immense Serverkapazitäten werden ein zentrales Thema."
Titelbild: Stadt Münster
Zentraldepot in der Speicherstadt