Auch in der Coronakrise setzen viele Unternehmen im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region bei der Fachkräftesicherung auf Ausbildung. 6.450 Ausbildungsverträge liegen der IHK Nord Westfalen drei Tage vor dem offiziellen Start des Ausbildungsjahres am 1. August vor. „Das sind 20 Prozent weniger als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr, doch wir rechnen in den kommenden Wochen damit, dass der Ausbildungsmarkt noch aufholen wird“, zeigt sich IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel zuversichtlich.
Denn der Lockdown in der Coronakrise hat sowohl die Berufsfindung der Schulabgänger als auch die Suche der Unternehmen nach Auszubildenden erheblich erschwert. Berufsorientierung in der Schule fand nicht statt, Ausbildungsmessen wurden abgesagt, Bewerbungsgespräche erst gar nicht vereinbart. „Der Ausbildungsmarkt hat in diesem Jahr sozusagen Verspätung“, erklärt Jaeckel. Viele Unternehmen und Jugendliche schließen auch jetzt noch Ausbildungsverträge ab. Das bedeutet, dass für viele Berufsstarter die Ausbildung erst im September oder Oktober beginnt.
Zusätzliche Motivation erhofft sich der IHK-Chef von der Ausbildungsprämie, die im Konjunkturpaket für kleine und mittlere Unternehmen aufgelegt wurde. Die Fördervoraussetzungen stehen seit Juni fest, was fehlt sind die Umsetzungsbestimmungen. „Die 2.000-Euro-Prämie gibt es für jeden 2020 geschaffenen Ausbildungsplatz, ganz gleich, ob der Azubi am 1. August oder erst später startet“, erläutert Jaeckel und verspricht: „Unabhängig davon werden wir Unternehmen und Ausbildungssuchende in den nächsten Wochen intensiv dabei unterstützen, dass sie zueinander finden.“
Trotz der Nachholeffekte rechnet er aber damit, dass die gewerbliche Wirtschaft in Nord-Westfalen die Ausbildungszahlen des vergangenen Jahres nicht erreichen wird. 2019 hatten insgesamt 9.609 Nachwuchskräfte eine Ausbildung begonnen. Viele Unternehmen seien verunsichert, was ihre Zukunft betrifft. Die Zurückhaltung insbesondere bei der Personalplanung sei „spürbar und auch nachvollziehbar. Trotz der Lockerungen sind viele Betriebe defensiv bei ihren Planungen“, berichtet Jaeckel.
Ergebnisse nach Kreisen und kreisfreien Städten
Stand 29. Juli sind 4.809 Ausbildungsverträge von Unternehmen aus dem Münsterland bei der IHK eingegangen – rund 1.100 weniger als zum selben Zeitpunkt des vergangenen Jahres (- 19,1 Prozent). Der Rückgang trifft kaufmännische und industriell-technische Berufe in etwa gleich stark. Auffällig sind regionale Unterschiede. Während der Kreis Warendorf derzeit 14,3 Prozent weniger Ausbildungsstarter hat, beträgt der Rückgang im Kreis Steinfurt 24,1 Prozentpunkte. In den Kreisen Borken (- 16,9 Prozent) und Coesfeld (- 17,5 Prozent) stellt sich die Ausbildungsmarkt etwas freundlicher dar als im Durchschnitt. In Münster beträgt der derzeitige Rückstand gegenüber dem Vorjahr 19,9 Prozentpunkte. „Das sind aber vorläufige Ergebnisse, die vor allem mit der Besonderheit der aktuellen Situation zu erklären sind. Das Ausbildungsjahr 2020 ist einfach anders“, sagt Jaeckel. Er rechnet damit, dass sich auffällige Ausschläge im Verlauf des Jahres noch angleichen werden.
Die Emscher-Lippe-Region hat aktuell einen Rückstand von 22,7 Prozentpunkten: 1.641 Ausbildungsverträge sind bis zum 29. Juli bei der IHK eingegangen. 2019 waren es zum selben Zeitpunkt 2.122. Das Gefälle zwischen den kreisfreien Städten Bottrop (- 17,1 Prozent) und Gelsenkirchen (- 22,1 Prozent) sowie den Kreis Recklinghausen (- 23,2 Prozent) ist relativ gering.
Beratung und Internettipps
Jugendliche, die noch einen Ausbildungsplatz suchen, können sich an die IHK wenden. Sie bringt mit dem Programm „Passgenaue Besetzung“ Betriebe und Ausbildungsplatzbewerber zusammen. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Ansprechpartnerinnen sind für das Münsterland Sarah Timmer, Telefon 0251 707-449, timmer@ihk-nw.de, für die Emscher-Lippe-Region Claudia Bux, Telefon 0209 388-212, bux@ihk-nw.de
Schulabgänger, die noch einen Ausbildungsplatz suchen, und Unternehmen, die Ausbildungsstellen anbieten wollen, können zudem auf die kostenfreie IHK-Lehrstellenbörse zurückgreifen. In der bundesweiten Börse sind derzeit 31.500 offene Angebote zu finden.
Titelbild: Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen
Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen