TH/ Es
war ein Pressetermin, der schon mit der ersten Museumsführung der
beginnenden Ausstellung gleichzusetzen war: Die Provenienzforscherin
Eline van Dijk – Kuratorien der Ausstellung – führte in
Begleitung der Co-Kuratorin Anna Luisa Walter die Reporter durch
insgesamt vier Räume. In diesen waren jeweils Bilder ausgestellt,
wegen deren Vergangenheit die vorherigen Eigentümer lange Zeit
unklar waren oder gar noch unklar sind: NS-Kunstraub, Vererbungen und
Tauschgeschäfte führten dazu. Um die nachträgliche Rekonstruktion
der ehemaligen Besitzverhältnisse geht es bei der
Provenienzforschung.
Provenienz
ist die Klärung der Herkunftsgeschichte von Werken. Zwar steht bei
den ausgestellten Fällen fest, von welchem Künstler das Werk
erschaffen wurde, jedoch war oder ist nicht immer ganz klar, wann es
in welcher Galerie ausgestellt war oder in wessen Besitz es sich
befand. Höchste Priorität haben dabei in der Ausstellung Werke, für
die untergegangen ist, wer sie zu Zeiten des zweiten Weltkrieges
besessen hat. Schließlich kann es dabei um die Aufklärung von
NS-Verbrechen gehen. Die Herkunft der Bilder kann in diesen Fällen
laut van Dijrk aus zwei Gründen ungeklärt sein: Entweder wurden sie
von den Nationalsozialisten beschlagnahmt oder der unbekannte
jüdische Besitzer musste sie auf einer Flucht hektisch verkaufen
oder gar zurücklassen. Van Dijk wies jedoch während der Führung
daraufhin, dass Bilder aus der Zeit des zweiten Weltkrieges, bei
denen die Provenienz zu klären war oder noch zu klären ist, nicht
per se jüdische Besitzer haben müssen.
Seit 2018 erforscht
van Dijk mit Unterstützung des „Deutschen Zentrums
Kulturgutsverluste“ die Erwerbewege einer Bildersammlung des
LWL-Museums, deren „Werdegang“ zu klären ist. Van Dijk erklärte
vor der Fürhung die Ursache dieses Provenienz-Projekts: 2017 musste
das LWL-Museum eine Truhe mit Bildern aus dem eigenen Bestand mühsam
durchforsten, und zwar auf Anordnung von Rechtsanwälten. Die
letzteren vertraten zum Beispiel Söhne von früheren Kunsthändlern
– genauer gesagt Söhne, die sich als Erben von Bildern vermuteten,
die ins LWL-Museum für Kunst und Kultur übergegangen sind, ohne
dass die Frage nach der ursprünglichen Herkunft geklärt war. Einige
Bilder wurden zuerst an die Erben zurückgegeben und ein paar Jahre
danach vom LWL-Museum wieder aufgekauft, damit sie ausgestellt werden
konnten. Die damit einhergehenden Provenienz-Arbeiten gaben den
Anstoß, zugleich zu prüfen, ob sich unter den Bildern, deren
Vorbesitzer unklar sind, auch Raubkunst aus der NS-Zeit befindet.
Die Ausstellung für den Pressetermin ging durch insgesamt
vier Räume. Im ersten Raum wurde zur Einführung der Begriff
„Provenienz“ konkreter veranschaulicht – und zwar anhand eines
Zeitstrahles zu dem Bild „Romantische Landschaft“ (um 1820) des
Malers Karl Blechen. Van Dijk erläuterte, wie der Zeitstrahl
verschiedene Stadien der Besitzverhältnisse abbildet. Demnach kam
das Bild zum Beispiel 1969 ins LWL-Museum, wurde 2005 an die
legitimen Erben zurückgegeben und 2010 vom LWL-Museum zurückgekauft.
Im Zeitstrahl wird ferner versucht, möglichst zu rekonstruieren,
wann das Bild in welchem Museum ausgestellt wurde und wann es von
welchen Kunsthändlern verkauft wurde.
Ein Reporter fragt nach
dieser ersten Präsentation, wie diese Daten ermittelt werden. Van
Dijk antwortet, das die Recherche immer mit dem Inventarbuch beginne,
in dem vermerkt sei, wo das Bild wann gekauft wurde. Entscheidenden
Aufschluss darüber gibt auch die Rückseite des Bildes, auf der sich
die Siegel der Händler befinden. Auf dieser Basis wiederum suchte
van Dijk nach Korrespondenzbriefen zwischen damaligen Käufern und
Kunsthändlern. Auch versuche sie ab und an, die heutigen Nachkommen
zu erreichen.
Dies exemplifizierte van Dijk im zweiten Raum
anhand des Bildes „Frau mit verbundenem Kopf“ (1920) von Karl
Schmidt-Rottluff (1887-1976). Dort war vom besagten Werk auch die
Rückseite speziell ausgestellt, so dass die Siegel begutachtet
werden konnten.
Im dritten Raum wurde das Gelernte anhand des
Bildes „Königsberger Marzipantorte“ (1924) des Malers Lovis
Corinth (siehe Bannerbild) vertieft. Um einen klaren Fall von NS-Raubgut mit tragischem
Hintergrund handelt es sich beim im vierten Raum ausgestellten Bild
„Getreideernte“ (1874) von Max Liebermann: Paul Stern – der
mutmaßliche Voreigentümer des Bildes - wurde vom NS-Regime aus
rassistischen Gründen verfolgt und beging 1942 im Barackenlager
Selbstmord.
Bannerbild: Das Gemälde "Getreideernte" (1874) von Max Liebermann (Foto: LWL/ Sabine Ahlbrand-Dornseif)