„What’s in a Name?“ – Was ist ein Name?
Nein, Dunja Hayali ist weder Muslima noch stammt sie aus der Türkei. Sie ist eine irakischstämmige Christin, die in Datteln geboren wurde. Ein Witz mit Datteln und Arabern wurde nicht gemacht, vielleicht steht er ja in ihrem Buch „Haymatland“, welches gestern im Vordergrund stehen sollte. Der Titel selber, so erklärt sie, ist ein Kofferwort aus ihrem Nachnamen und Heimat. Sie wüsste durchaus, wie man letzteres richtig schreiben würde.
Der Name ist übrigens ein Sinnbild für die Integration. Für Deutsche und damit meine ich die Müllers und Schmidts dieser Welt, hört sich der Name vielleicht fremd an und „undeutsch“. Eigentlich ist er aber schon angepasst, denn die Hayalis hießen im Irak noch Al’Hayali. Das Al weist im Arabischen auf die Vorfahren hin, ähnlich wie das Deutsche „von“, das skandinavische „-son“ oder das schottische „Mac-“. Zusätzlich würde man Hayali eigentlich mit einem stimmlosen verlaren Frikativ (IPA-Zeichen: x) beginnen. Das h würde also so ausgesprochen werden wie das Deutsche „ch“ in „doch“. Doch das tun wir nicht. Hayali ist also mehr eingedeutscht als manch einer/eine vermutet hätte.
Aber das alles erzählt uns Hayali gar nicht. Sie sagt nur, dass ihr Namen in Datteln immer „Heierli“ ausgesprochen wurde. Sie selbst musste ihren Vater 2007 fragen, wie ihr Namen denn nun richtig ausgesprochen wird. 2007 fing sie nämlich bei „heute“ an, und Claus Kleber hatte sie vorgewarnt, dass sie für manche immer die Ausländerin sein würde. Ihr Vater hatte ihr als Kind die gleiche Warnung ausgesprochen: „Vergiss niemals, wo du herkommst!“
Freundin von Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt: Dunja Hayali.
2015: Eine neue Dimension des Hasses
Der Abend beginnt bedrückend: Hayalis Mikro ist bereits hot, und man hört sie einmal tief durchatmen. Sie setzt sich auf den einsamen Tisch auf der großen Bühne. Sie begrüßt das Publikum nicht, sondern ließt direkt etwas vor. Es fühlt sich komisch an. Es geht um Halle. Der Hass von rechts, den wir als Gesellschaft nicht ernst genug nehmen würden. Aus Wut sollte aber auch Mut wachsen. Halle sei in den Medien schon wieder vergessen. Erst nach diesem Aufsatz kommt der Mensch Hayali in Münster an. Da sie aus Datteln kommt, wittert sie eine Art Heimvorteil. Eines macht sie aber sofort deutlich: sie ist Gladbach Fan. Das liegt an ihrer Jugendliebe Uwe, er war elf und sie war drei.
Hayali wird an diesem Abend nicht einmal das Wort „soziale Medien“ fallen lassen. Sie bezeichnet sie als „asoziale Medien“. Seit 2015 und der sogenannten Flüchtlingskrise habe sie eine Veränderung in diesen Medien und in unserer Gesellschaft wahrgenommen. Die Medien, die es so gar nicht gäbe, hätten daran eine Mitschuld. Damit meint sie wiederrum die öffentlich-rechtlichen, ihre Arbeitgeber. Es ginge eine Sensationsgier durchs Land, die letztere in eine Bredouille führe: sollte man nach einem Anschlag einen Brennpunkt machen oder nicht? In beiden Fällen würde es Kritik hageln. Zeit für guten Journalismus wird nicht mehr gegeben, so Hayali, die dem Publikum vorab versichert, ausdrücklich ihre eigene Meinung zu äußern und nicht die des ZDF.
Sie ließt Beleidigungen vor bei denen es einem den Magen umdreht. Aber sie nimmt es mit dickem Fell und Humor, denn in Berlin hatte sie eine Gebärdensprecherin dabei und habe sich auf das Wort „Eselfickerin“ gefreut. Sie macht das Wort in Gebärdensprache vor: Zeige- und Ringfinger die wiederholt auf eine Faust geschlagen werden. Es war generell ein lustiger, unterhaltsamer Abend. Hayali versteht es, Menschen zu unterhalten.
Den Rassisten in uns besiegen
Hayali hatte sich vorgenommen, den roten Faden beizubehalten. Sie ließt gar nicht sonderlich viel aus ihrem Buch vor, geht sie doch davon aus, dass wir es selber lesen könnten. Ihre wichtigste Botschaft ist die, ihrer eigenen Biographie: man muss mit den Menschen reden. Das macht sie geradezu exzessiv, bis zu drei bis vier Stunden ist sie täglich online und schreibt auch Kritikern und "hatern" zurück. Hayali räumt auch mit dem Missverständnis ein, dass Ausländer nicht rassistisch sein können. Wie so oft untermauert sie ihre Argumente mit autobiographischen Anekdoten.
Der Görlitzer Park, nahe ihrer Berliner Wohnung in Kreuzberg, sei ein berüchtigter Umschlagplatz für Drogendealer. Von diesen seien 90% dunkelhäutig. Da könne man nichts beschönigen. Wenn sie aber mit ihrer Hündin Wilma durch den Park ginge und einen Mann schwarzer Hautfarbe sieht, würde sie zuerst denken, dass er ihr gleich Drogen andreht. Doch dann stellt sich heraus, dass er nur mit seiner Familie durch den Park läuft. Hayali spricht sich gegen Generalisierung und das „über einen Kamm scheren aus“. Nicht nur anschauen müsse man die Menschen, sondern auch mit ihnen reden, um sie kennenzulernen.
Wilma war gestern übrigens nicht dabei. Die 500 Gäste haben es ihr schnell verziehen. Der Abend dauerte bis 23:23 Uhr, also 11 Uhr 11, eine passende Uhrzeit für jemand, der zwölf Jahre lang in Köln studierte. Eine spannende offene Fragerunde und eine Hommage an ihre verstorbenen Eltern hatten ihn würdevoll beendet. Danach gab es noch die Möglichkeit eines Fotos und einer Buchsignatur. Sie hat also Zeit mitgenommen, die Dunja, was „Sonne“ bedeutet.Eine starke Frau mit Meinung und Haltung: Hayali signiert das erste Buch nach dem Gespräch.
Foto: Flo