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Der Fuchs

Über die Mitte des letzten Jahrhunderts hat sich ein „entvant terrible“ einen Namen gemacht, dass heute noch so streitbar ist wie zu Zeiten seines Wirkens. Michel Fouceault.

Der eigentlich unter dem Namen Paul Michel Fouceault am 26. Oktober 1926 das Licht der Welt erblickte, aber aufgrund der Abneigung gegenüber seines Vaters Paul Fouceault, der alles symbolisierte, was sein Sohn anwiderte, seinen ersten Vornamen ablegte.

 

Dieser glatzköpfige Trotzkopf und Überflieger, der 1984 57-jährig an der Immunschwächekrankheit AIDS gestorben ist, wirkte seit jeher deshalb so arrogant und überheblich, weil er sich zu den Superstars der Philosophie jener Zeit, Jean-Paul Sartre in Opposition stellte. Der eigenwillige Existenzialist, der uns allen unentwegt vom Zwang zur Freiheit überzeugen wollte, habe ihn, Fouceault nicht verstanden, weil er ihn wohl nicht gelesen habe, behauptet der damalige Fuchs der Intellektuellen Szene. Er hat nämlich nicht die Freiheit und damit den Humanismus negiert, sondern lediglich festgestellt, dass Macht nur dann stattfinden kann, wenn es Freiheit gibt, die restringiert werden kann. Die Freiheit wird sozusagen zur Ursache der Macht und somit ist auch ganz leicht nachvollziehbar, dass die Macht im Wort liegt, in Diskursen die unentwegt im Dienste der Ökonomisierung einer Gesellschaft geführt werden.

 

Es besteht somit ein fundamentaler Unterschied zwischen Herrschaft und Macht. Es ist richtig, so Fouceault, dass sich Machtstrukturen so fest in der Gesellschaftsordnung etablieren, dass sie den Charakter einer Herrschaft bekommen und es kann auch sein, dass die Herrschaft die Macht instrumentalisiert und leitet, aber im Gegensatz zur Herrschaft, ist die Macht immer da und kann sich zwar wandeln, aber nie verschwinden. Da wo gesprochen wird bestehen Machtgefüge und Verhältnisse.

 

Das interessante an der Macht ist, wie Fouceault gegen Ende seines Lebens am Sadomasochismus feststellte, dass sie ein „agreement“ darstellt, das zwischen den Protagonisten jederzeit wechseln kann.  Und diese Fähigkeit macht uns unter anderem so machtgefügig, die potentielle Fähigkeit selbst Macht ausüben zu können. Was wir auch unentwegt tun. Denn über im Diskurs, den wir unentwegt über alles und jeden führen, festigen wir etalierte Machtstrukturen oder stellen sie in Frage – natürlich mit der Intention, unsere eigenen Überzeugungen zu jenen machtvollen Elementen zu machen, die wir bekämpfen.

 

Man könnte nun zu der Conclusio kommen, dass dem schon immer so war und das mag auch in Bezug auf die Macht an sich der Fall sein, allerdings hat sich die Macht seit dem 17. Jahrhundert dergestalt gewandelt, dass sie ökonomisiert wurde und das hat signifikante Auswirkungen auf unser Selbst. Denn während man beispielsweise zu  Zeiten der alten Griechen die Sprache vorwiegend ratschlagend für das eine Individuum benutzte, ganz im Sinne des „epimeleia heautou“ - der Sorge um sich selbst (dienend), wandelte sich spätestens seit Descartes, Mitte 17 Jahrhunderts, der missverstandene Ausspruch „gnothi heautou“ – erkenne dich selbst, als Schrift am Orakel von Delphi, wo man etwas über sich erfährt, indem man dem Orakle Fragen stellen konnte in ein Wissen, dass objektiven Nuten im Sinne aller hat. Während die sorge um sich selbst ergo ein persönlich dienender Ratschlag zur besseren Lebensqualität des Einzelnen diente wurde über „cogito ergo sum“ - ich denke, also bin ich zu einer Feststellung, die jeder nachvollziehen im Stande sein konnte.

Descartes hat also nicht etwas gefunden, das ihm half, glücklicher zu werden, ein Benefit a la: „Oh, ich habe Bauchschmerzen, also sollte ich weniger chemisch gezuckerten Rotwein trinken“, sondern ein metaphysisches Faktum, das laut Fouceault zu einem dramatischen Missverständnis der Philosophie führte, das die Geisteswissenschaft bis heute nicht überwunden hat (und mit heute meine ich den 5. August 2020).

 

Klar, dass einem eingefleischte und etablierte Philosophen nur ungern folgen wollen oder gar können. Michel Fouceault hat über seine Bücher „Wahnsinn und Gesellschaft“, „Überwachen und Strafen“ sowie seinem Spätwerk(en) „Sexualität und Wahrheit“ (Das eigentlich Sexualität und Geschichte heißt), dargelegt, dass die Philosophie auf dem Holzweg ist. Die objektive Untersuchung des Seins hilft nur denjenigen, denen sie kritische Fragen stellen sollte, den Ökonomen bzw. der Ökonomisierung. Wer die Gemeinsamkeiten aller genau kennt, ist in der Lage ihre Produktivität zu steigern. Der Ökonomisierung geht es bei allen Ratschlägen nicht um unser individuelles Wohlbefinden, sondern um die Verlängerung unseres Seins und darüber zur Maximierung des Outputs.

 

Ich werde an dieser stelle innehalten, weil ich weiß, wie komplex diese Gedanken sind. Aber, wie Michel Fouceault sagen würde, wenn es sie nicht zu Tode langweilt (und ich kenne jetzt schon einen Dr. der Philosophie der aus verkrusteten Strukturen heraus alles hier Geschriebene negieren wird), lesen wir uns zeitnah wieder.

 

Vielen Dank