Mehr als einen Tag nach den verheerenden Explosionen in Beirut liegen
die Ursachen der Detonationen weiter im Dunkeln. US-Präsident Donald
Trump relativierte seine ersten Äußerungen, es habe sich mutmaßlich um
einen Anschlag gehandelt, und schloss am Mittwoch einen Unfall nicht
aus. Unterdessen ging die fieberhafte Suche in den Trümmerlandschaften
nach Überlebenden weiter, und internationale Hilfseinsätze für die
libanesische Hauptstadt rollten an.
Durch die zwei gewaltigen Explosionen am Hafen waren laut den libanesischen Behörden mindestens 113 Menschen getötet und mehr als 4000 weitere verletzt worden. Dutzende Menschen wurden noch immer vermisst. Große Teile der Stadt wurden schwer beschädigt. Explodiert waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das jahrelang ohne geeignete Vorsichtsmaßnahmen in einer Lagerhalle untergebracht war. Ammoniumnitrat kann für Düngemittel oder zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden.
Trump sagte bei
einer Pressekonferenz im Weißen Haus, es könne sich um einen "Unfall"
oder um einen "Angriff" gehandelt haben. Zum jetzigen Zeitpunkt wisse
dies "niemand". Am Vortag hatte der US-Präsident mit der Aussage für
Wirbel gesorgt, bei den Explosionen habe es sich mutmaßlich um einen
Anschlag mit einer "Art von Bombe" gehandelt. Dies hätten ihm seine
Generäle nahegelegt.
Im Libanon schürten die Explosionen in großen Teilen der Bevölkerung die Frustration über die Regierung. In den Onlinenetzwerken forderten viele Menschen den Rücktritt des gesamten Kabinetts. "Tretet ab!" erklärte der populäre Fernsehjournalist Marcel Ghanem. "Es sind Eure Niedertracht und Eure Nachlässigkeit, welche die Menschen getötet haben."
Schon vor den Explosionen hatte es immer wieder Massenproteste gegen die libanesische Regierung gegeben, der viele Menschen Korruption und Inkompetenz vorwerfen. Das Land steckt in der schweren Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, die zuletzt durch die Corona-Pandemie verschlimmert worden war.
Die Regierung kündigte an, die Verantwortlichen für die Explosionen zur Rechenschaft zu ziehen. Sie forderte das Militär auf, die für die Lagerung des Ammoniumnitrats Verantwortlichen unter Hausarrest zu stellen.
Das Lagerhaus mit dem Material war in heruntergekommenem Zustand und hatte Risse in den Wänden, wie Behördenmitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP sagten. Sicherheitskräfte hatten vergangenes Jahr eine Untersuchung geführt, weil aus dem Gebäude merkwürdige Gerüche gedrungen waren. Die Untersuchung gelangte zu dem Schluss, dass das "gefährliche" Material aus der Halle entfernt werden müsse. Dies geschah aber nicht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte in einem Kondolenztelegramm an Libanons Regierungschef Hassan Diab, dass sein Land "in dieser schweren Zeit" auf die Unterstützung der Bundesregierung zählen könne.
Laut Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) stellte die Bundesregierung in einem ersten Schritt dem Roten Kreuz eine Million Euro für Soforthilfe in Beirut zur Verfügung. Das Geld solle für Erste-Hilfe-Stationen und medizinische Güter zur Versorgung von Verletzten verwendet werden, schrieb Maas im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Ein rund 50-köpfiges Team des Technischen Hilfswerks (THW) flog in der Nacht zum Donnerstag von Frankfurt am Main zum Noteinsatz in Beirut ab. Die Einsatzeinheit soll bei der Bergung von Verschütteten helfen, wie das THW mitteilte. An Bord derselben Maschine befanden sich auch sieben Experten der Hilfsorganisation Isar Germany. Dabei handelte es sich nach Angaben der Organisation um Ärzte sowie Fachleute für Gefahrgut.
Aus den Golfstaaten, anderen Ländern der Region sowie Europa trafen erste Lieferungen unter anderem von Feldlazaretten und Medikamenten im Libanon ein. Italien entsandte eine Spezial-Einheit von der Feuerwehr für die Suche nach umweltschädigenden Substanzen, Frankreich drei Flugzeuge mit Rettungskräften, tonnenweise medizinischer Ausstattung und einer mobilen Krankenstation. Präsident Emmanuel Macron will am Donnerstag als erster ausländischer Staatenlenker nach den Explosionen Beirut besuchen.
dja
Rouba el Husseini und Tony Gamal-Gabriel / © Agence France-Presse