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Ich sag' Nichts

Wenn nichts passiert ist, ist dann nicht doch etwas passiert, nämlich das Nichts? Ein kleiner Exkurs in die Welt der konsequenten Definition eines Begriffes, der uns so geläufig ist, von dem aber die meisten keine Ahnung haben.

Die Welt, in der wir uns befinden, ist voll von Dingen, Gegebenheiten und Ereignissen. Und dennoch umgibt das aktive Leben sich mit so viel Nichts. Oder wie Martin Heidegger es formulierte:  „Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?“ 

Eine gute Frage, wenn sie nicht von einem Philosophen käme. Denn das, was wir als das Nichts beschreiben, ist beinahe immer ausschließlich die Abwesenheit von Etwas. Und wo etwas fehlt, ist ja nicht Nichts, sondern eben weniger als das und das impliziert, dass es die Möglichkeit hat, dass sich etwas ereignen könnte. Die Philosophen sagen dazu: Das Sein, das wir beschreiben, hat die Potenz, dass sich etwas ereignen könnte. Und wenn etwas eine Potenz hat, dann hat es ja etwas und ist folglich nicht Nichts.

 

Gibt es das Nichts, also das wirklich gar nichts eigentlich? Oder ist das Nichts, das wir ständig mit einer Art von Leere beschreiben nur ein fauler Kompromiss. Der Existenzialist Sartre hätte gesagt, dass all unsere Wahrnehmung aus dem Defizit von Etwas gebildet (konstituiert) wird.

 

Als Beispiel führt er in seinem wunderbaren Werk „Das Sein und das Nichts“ einen Blick in sein Portemonnaie an. Er schaut hinein und sagt: 1200 Franc. Soweit so gut, aber wenn ich 1500 erwartet habe, ist es nicht mehr so gut, obwohl die Geldmenge doch die gleiche geblieben ist. Die erwarteten 300 Franc mehr gestalten also seine Sicht auf die Dinge, ganz nach dem Motto: was geht alles mit 300 Franc weniger als ich gerne hätte.

 

Wir sprechen in diesem Fall also eigentlich über etwas nicht existentes, über ein Nichts, obwohl es ja mit Nichten etwas ist, dass Nichts ist, denn wenn es wirklich, im konsequentesten aller Fälle Nichts wäre, hätte es auch nicht die Kraft, die Potenz, meine Sicht auf das Leben oder das Sein um mich herum so signifikant zu beeinflussen.

 

Der oft von mir genannte slowenische Philosoph Slavoj Žižek hat ein seeehr dickes Buch über all das geschrieben, was alles im Nichts steckt und nannte es: Weniger als das Nichts, aber das nur am Rande.

 

Interessant wird der Gedanke über die Konsequenz des Nichts, wenn man an den Anfang von allem denkt, also den Anfang der Welt und unseres Seins. Wenn am Anfang Nichts gewesen sein soll, dann kann sich daraus nicht unser jetziges Ist gestaltet haben, denn die Möglichkeit, dass etwas passieren kann ist ja wieder etwas, das dem Nichts immanent sein muss, denn wenn am Anfang wirklich Nichts war, dann gab es 1. auch keinen Gott und 2. hatte es auch nicht die Möglichkeit (Potenz), dass sich etwas daraus (aus dem Nichts) entwickeln kann. Ergo kann am Anfang nicht das Nichts gewesen sein, sondern nur ein fauler Kompromiss davon, was wir immer großzügig mit Nichts bezeichnen. Am Anfang gab es vielleicht keinen Fußball oder sonst etwas Materielles oder wie Wissenschaftler präziser sagen würden: Energiereiches, aber irgendetwas muss da gewesen sein und wenn es nur die Möglichkeit war, dass sich etwas ereignen kann.

 

Und genau deshalb sprach Friedrich Nietzsche vom Kampf der Kräfte (Energien), der sich bis heute in allen Facetten des Lebens wiederspiegelt. Und wenn David am Ende der Sieger ist, ist Goliath vielleicht nicht (mehr) da, aber insofern relevant, als dass er da sein könnte, aber dies nicht stattfand, weil die Kraft „David“ gewonnen hat.

 

Warum David gewonnen hat, liegt in dem berühmten Gleichnis an seiner Schläue, dass er aber diese Kraft der Schläue hat, beruht auf unendlich vielen Verkettungen, die sich in den Kämpfen zwischen zwei Kräften darstellt – Und weil davon so unendlich viele gleichzeitig passieren und passiert sein müssen, ist der Sieger eines Kampfes am Ende eigentlich nicht mehr als ein Zufallsprodukt.

 

Aber das ist wieder ein anderes Thema.

 

Sonst habe ich heute nichts mehr zu sagen.


Bild: Adolf Ulf Muenstermann