Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellt sich gegen den Wunsch Thüringens, ein Sonderkontingent von Flüchtlingen aus Griechenland aufzunehmen. Das Bundesinnenministerium bestätigte am Freitag in Berlin einen entsprechenden Bericht des "Spiegel". Thüringens Justizminister Dirk Adams (Grüne) äußerte sich enttäuscht und bekräftigte die Bereitschaft zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Menschen aus den überfüllten griechischen Camps.
Die rot-rot-grüne Landesregierung will 500 Flüchtlingen bis Ende 2022 aus humanitären Gründen aufnehmen. Adams erklärte, dabei gehe es insbesondere um unbegleitete Minderjährige, allein reisende Frauen, Schwangere, alleinstehende Mütter mit ihren Kindern sowie alte, schwer erkrankte oder traumatisierte Flüchtlingen. Der Grünen-Politiker kündigte an, die Absage des Bundesinnenministeriums werde nun rechtlich geprüft.
"Die Weigerung Seehofers gegenüber Thüringen, bei der Aufnahme Geflüchteter aus Griechenland sein Einvernehmen zu erteilen, ist absolut inhuman, menschen- und völkerrechtswidrig", erklärte die Linken-Fraktionsvize im thüringischen Landtag, Katja Mitteldorf. Sie warf dem Bundesinnenminister vor, einen "ideologischen Kleinkrieg" auf dem Rücken von hilfsbedürftigen Menschen auszufechten.
"Seehofer verbietet humanitäre Hilfe", kritisierte auch die Organisation Seebrücke. "Mit der Ablehnung verhindert der Innenminister ganz konkret, dass Menschenleben gerettet werden, und stellt sich gegen den demokratischen Willen der Länder und hunderter Kommunen", hieß es in der Erklärung weiter.
Unterstützung erhielt Seehofer von der Opposition im thüringischen Landtag. "Willkürliche Alleingänge sind keine nachhaltige Strategie, um Probleme in Flüchtlingslagern zu lösen", erklärte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich. Er warnte, dies könne "weitere Anreize für Migration schaffen" und forderte einen stärkeren Grenzschutz für Europa.
Der migrationspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Markus Malch, sprach von einem "klaren und richtigen Stopp-Signal" durch Seehofer. Antworten auf das "Massenphänomen der Fluchtmigration" könnten "nicht allein aus einem humanitären Impuls heraus" entwickelt werden, erklärte er in Erfurt.
Zuvor hatte Seehofer bereits den Wunsch des Landes Berlin zurückgewiesen, eine Gruppe von 300 Flüchtlingen aus Griechenland aufzunehmen. Das Bundesinnenministerium begründete sein Vorgehen am Freitag mit einem Vorrang der europäischen Dublin-Verordnung vor nationalen humanitären Aufnahmeprogrammen.
Innen-Staatssekretär Hans-Georg Engelke schrieb laut "Spiegel" zu der thüringischen Anfrage, würde die Bundesregierung dem zustimmen, wäre die "Bundeseinheitlichkeit nicht gewahrt". Er verwies auf die Vorgabe, wonach für eine Aufnahme ein Einvernehmen zwischen dem Land und dem Bundesinnenministerium erforderlich sei. Dieses liege nicht vor.
Die Bundesregierung ist bisher nur im Rahmen eines eigenen Programms bereit, 243 medizinisch behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern und Geschwister in Deutschland aufzunehmen. Darauf wies Engelke in seinem Schreiben hin. "Aufgrund ihrer besonders großen Aufnahmebereitschaft wurden die Länder Berlin und Thüringen dabei besonders berücksichtigt".
Eine Sprecherin des Innenressorts erklärte dazu, in Berlin sollten im Rahmen des Bundesprogramms 150 und in Thüringen 100 Menschen untergebracht werden, mehr als in anderen Bundesländern. Diese müssen dann ein normales Asylverfahren durchlaufen, was bei den Landeskontingenten nicht der Fall wäre.
Für eine Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aus Griechenland warb NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP). Er schlug im "Spiegel" eine Bund-Länder-Konferenz vor, um dafür ein bundeseinheitliches Vorgehen abzusprechen.
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