Der Anführer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, ist bei einem US-Militäreinsatz im Nordwesten Syriens getötet worden. US-Präsident Donald Trump sagte am Sonntag, al-Bagdadi sei während des nächtlichen US-Angriffs auf sein Versteck in einen Tunnel geflüchtet. Dort habe er eine Sprengstoffweste gezündet und sich selbst getötet. Der IS-Chef sei "wie ein Hund" und "wie ein Feigling" gestorben, sagte Trump in einer Ansprache im Weißen Haus.
Laut den Schilderungen des US-Präsidenten soll der IS-Chef "wimmernd und weinend und schreiend" in den Tunnel geflüchtet sein. Dabei habe er drei seiner kleinen Kinder mit "sich gezerrt". Diese wurden laut Trump ebenfalls durch die Explosion der Sprengstoffweste getötet. Testergebnisse hätten eindeutig bestätigt, dass es sich bei dem Toten um al-Bagdadi handle.
Nach dem IS-Anführer hatten die US-Geheimdienste und -Streitkräfte jahrelang gefahndet, er galt als der meistgesuchte Mann der Welt. "Die Welt ist nun ein viel sicherer Ort", sagte Trump zum Tod des IS-Chefs. Nach seinen Angaben wurden bei dem Einsatz von US-Spezialkräften auch eine "große Zahl" von IS-Kämpfern getötet und wichtiges Material zu den Planungen der Extremisten gefunden.
Tote oder Verletzte unter den US-Soldaten gab es hingegen nicht, wie Trump mitteilte. Lediglich einer der von den Spezialkräften eingesetzten Hunde sei verletzt worden. Al-Bagdadi war demnach vor dem Angriff bereits wochenlang beobachtet worden. Bei dem "gefährlichen und gewagten" Einsatz seien dann acht US-Militärhubschrauber am Versteck des IS-Anführers gelandet.
Die US-Soldaten seien aus dem US-Gebäude heraus beschossen worden, dieses Feuer sei aber rasch gestoppt worden, sagte Trump. Die US-Soldaten sprengten sich nach seiner Schilderung dann ihren Weg hinein in das Gebäude. Aus dem Anwesen wurden laut Trump während des Einsatzes elf Kinder unversehrt herausgeholt. Ob darunter auch Kinder des IS-Anführers waren, blieb zunächst unklar.
Trump dankte Russland, der Türkei und Syrien, die bei dem Einsatz geholfen hätten. Russland habe den Durchflug der US-Spezialkräfte durch russisch kontrollierten Flugraum erlaubt. Genauere Angaben zur Flugroute der US-Spezialkräfte machte Trump nicht. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte fand der Angriff nahe dem Ort Barischa in der Provinz Idlib statt. Barischa liegt nur wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt.
Über den Aufenthaltsort al-Bagdadis war seit Jahren gerätselt worden. Immer wieder wurde er auch fälschlich für tot erklärt. In der Öffentlichkeit trat der IS-Anführer nur einmal auf, als er im Juli 2014 in einer Moschee im nordirakischen Mossul ein "Kalifat" in Syrien und im Irak ausrief. Zeitweise dehnte sich das "Kalifat" auf ein Gebiet aus, in dem mehrere Millionen Menschen lebten. Dort errichteten die IS-Islamisten eine Schreckensherrschaft mit willkürlichen Erschießungen, dem Abschlagen von Köpfen, Vergewaltigungen, Versklavungen, Plünderungen und Geiselnahmen.
Eine internationale Koalition unter Führung der USA zusammen mit nationalen Soldaten im Irak und kurdischen Milizen in Syrien eroberten dann in erbitterten Kämpfen nach und nach die IS-Gebiete zurück. Im Ausland, darunter auch in europäischen Städten, verübten IS-Anhänger immer wieder blutige Anschläge.
Zuletzt hatte der IS im April ein Video veröffentlicht, das al-Bagdadi zeigen soll. Darin rief er seine Anhänger auf, den Kampf trotz des Verlusts ihres "Kalifats" fortzusetzen. Der Tod al-Bagdadis ist der wichtigste Schlag gegen einen führenden Dschihadisten seit US-Sondereinsatzkräfte am 2. Mai 2011 den Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden in seinem Versteck in Pakistan aufgespürt und getötet hatten.
Für Trump kommt der Erfolg zu einem überaus günstigen Zeitpunkt: In den vergangenen Wochen hatte er heftige Kritik - auch aus der eigenen Republikanischen Partei - für den US-Truppenabzug aus Nordsyrien einstecken müssen. Mit dem Abzug hatte Trump den Weg für die türkische Großoffensive gegen kurdische Kämpfer in Nordsyrien frei gemacht, wo immer noch tausende IS-Anhänger in kurdischen Lagern und Gefängnissen inhaftiert sind.
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Foto: AFP