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Nutten und Bier

Was kann man an einem Zustand, der einen zügellos macht, auch noch schönreden? Fragt Kleinias den Athener im Nomoi (Das Gesetz), einem berühmten der Bücher Platons über Sokrates, den Athener. Gute Frage: Was ist ein Symposion?


In jenem eingangs begonnenen Dialog antwortet Sokrates nun, wie es ein Westfale erwartet: Ja, denn wenn der Mensch ein von Ängsten und Leidenschaften getriebener Mensch ist und Tugenden wie Mut, Tapferkeit, Weisheit und Mäßigung ihm dabei helfen sollen, sich und sein Leben besser zu beherrschen, dann sollten diese Tugenden auch einen Spielplatz bekommen, wo sie sich ausprobieren können. Und in der Trunkenheit sei man wieder wie ein Kind, ohne Erinnerungen und beinahe schlicht ein Etwas, dass nur den naturellen Zwängen unterliegt, ähnlich wie ein Tier. In diesem Zustand kann man wunderbar herausstellen, wie souverän jemand mit Hilfe der vier Kardinaltugenden seine Triebe zu beherrschen oder kontrollieren kann. Also wie gut er seine Triebe und Ängste im Zaum halten kann. Den Extremzustand Kontrollverlust managed.

 

Der Athener nennt diese Zusammenkunft ein Symposion und suggeriert, dass diese freiwilligen Kontrollverluste unter der nüchternen Leitung eines Kundigen der Trunkenheit geführt werden müsse, damit u.a. am ende auch der geschützt werden kann, der sich nicht selbst im Stande ist sich zu schützen. Natürlich soll auch die Gegenpartei nicht unnötig in Schwierigkeiten gebracht werden, kurz: Aus Spiel soll eben kein Ernst werden.

 

Nach diesem Abend, weiß jeder, mit welchen Intensitäten jemand bei Trieben und Ängsten von den Göttern gesegnet sei und wie souverän er mit Hilfe der richtigen Erziehung aus den Symposien anhand seiner Tugenden Kontrollverlust zu vermeiden vermag.

 

Das Interessante an dieser Unterhaltung ist jedoch, dass es sich, zumindest mehr oder weniger um Meinungen handelt. All das, was in den Antiken Texten von Platon, Aristoteles und anderen zu finden ist, sind Handlungsratschläge, es geht darum, eine Haltung zu verschiedenen, vornehmlich moralischen Handlungsmaximen einzunehmen. Diese gingen auch schon zur damaligen Zeit sehr in eine „gut“-„schlecht“ Tendenz, wie sie über das Jahr Null hinaus immer mehr kultiviert und schlussendlich, juristisch festgemacht wurden, was genau eben bei den Athenern nicht geschah. Das heißt aber nicht zwingend, dass in Athen zwischen 700 und 300 vor Christus nur „Sodom und Gomorra“ geherrscht hat, sondern meines Erachtens eher, dass es besser ist an die Moral, als an die Pflicht zum Gehorsam an einem leeres Gesetz zu appellieren, um eine friedfertigere und soziale Gesellschaft zu erreichen.

 

In diesem Sinne: Nutten und Bier auf den Alten mit dem weißen Kittel im Hintergrund.


Bild: Adolf Ulf Muenstermann