Münster - (pbm) - Aufrecht und gefasst sitzen oder stehen sie vor einem blaugrünen Hintergrund. Die abgebildeten Personen eint ihre Herkunft: Sie gehören zu den siebenbürgischen „Kesselzigeunern“, auf Rumänisch heißen sie Cortorari. Seit Jahren reist die Fotokünstlerin Irina Ruppert in das rumänische Dorf Pretai im Kreis Hermannstadt (Siebenbürgen) und fotografiert Roma. Ab Sonntag, 23. August, zeigt die Pfarrei St. Joseph Münster-Süd Bilder der Künstlerin, die Ausstellung ist überschrieben mit „Dann habe ich eine Geschichte“.
Die Ausstellung ist eingebettet in eine Serie der in Hamburg lebenden Künstlerin mit dem Titel „Cortorar Gypsies“. Die Cortorari leben abseits und ausgegrenzt von der Mehrheitsbevölkerung des Ortes und meist unter ärmlichen Bedingungen in einem althergebrachten Sozialgefüge mit stark paternalistischem Rollenverständnis. Zum traditionellen Handwerk der Cortorari gehört immer noch das Kupferschmieden, sodass sich in ihrem Umfeld die Bezeichnung als „Blechzigeuner“ oder „Kesselflicker“ gehalten hat.
Wie nur wenige andere Ethnien sind Roma – und damit auch die Cortorari – eine Projektionsfläche für Vorurteile und Stereotypen, die von Lagerfeuerromantik und naturverbundener, freiheitsliebender Lebensweise bis zur pauschalen Diffamierung reichen. Die Mehrheitsbevölkerungen in den südosteuropäischen Ländern klassifiziert die Roma als ein Volk, mit dem niemand leben kann und leben will. So führten vielfältige Formen der Exklusion zur Abwanderung vieler Roma nach Westeuropa.
Seit gut fünfzehn Jahren reist Irina Ruppert immer wieder nach Pretai, um die dort lebenden Cortorari kennenzulernen und zu portraitieren. „Bis ich in meinen Sitzungen ein Foto machen konnte, vergingen oft drei bis fünf Stunden“, erinnert sich Irina Ruppert. „Irgendwann kommt der Moment, in dem ein Mensch über sich selbst nachdenkt. Wenn die Schultern nach unten sinken und er in sich zurückfällt. Wenn ich diesen Moment sehe, dann habe ich ein Bild von ihm. Dann habe ich eine Geschichte.“
Irina Ruppert wertet nicht, sie wartet. Ihre Fotografien aus Pretai sind weder klischeehaftes Genrebild noch ethnografische Dokumentation. Vielmehr besteht die künstlerische Intervention einerseits im Warten auf den richtigen Moment und andererseits in der Isolierung und Fokussierung der Individuen. Die Künstlerin erlebt und dokumentiert auch die kleinen Veränderungen: Der Westen, die Globalisierung, Trends, Moden und Medien halten Einzug in Pretai: Großmutter und Enkel des Titelbildes präsentieren sich im Prinzip noch in überkommener Pose und in traditioneller Kleidung. Allerdings fordert nun ein neuer Akteur im Bild Raum: der trendige Sportschuh amerikanischer Provenienz.
Die Ausstellung bis von Sonntag, 23. August, bis Dienstag, 22. September, täglich von 9 bis 18 Uhr in der St.-Joseph-Kirche an der Hammer Straße kostenfrei zu sehen.
Text: Pfarrei St. Joseph Münster-Süd
Bildunterschrift: Das Titelbild der Ausstellung, die überschrieben ist mit „Dann habe ich eine Geschichte“.
Foto: Irina Ruppert