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Versöhnung

Jeder gerät hin und wieder in einen Streit und ein jeder bezieht dabei egoistische Positionen, die eine Versöhnung mit dem Gegenüber noch um ein weiteres erschweren. Aber warum ist es so schwer, sich zu versöhnen?


Sokrates sagte vor 2400 Jahren, dass keiner mit Absicht etwas Falsches macht. Natürlich begehen wir Fehler und diese auch hin und wieder vorsätzlich, aber nicht aus der Motivation heraus jemanden anderen zu schädigen, sondern ausschließlich darum, unsere eigene Position zu stärken. Da kann die Erniedrigung eines anderen ein Mittel (ein Zwischenziel - teleos, ein Etappensieg) sein, aber es ist nie der Endzweck, das Endziel, die Griechen sagen teleotatos.

 

In einem Streit haben wir es nun mit dem Zusammenprall zweier subjektiver Weltansichten zu tun, obwohl uns die Schule des Determinismus doch gelehrt hat, dass wir alle die gleiche Weltsicht haben. Und da genau liegt der Knackpunkt, in dieser Friktion. Wir glauben, dass der andere genau die gleichen Gedankengänge denkt wie ich, denn wir sind ja beide gesund. Weshalb versteht er mich dann nicht? Die eigene Kraft in die Überzeugung der Richtigkeit der eigenen Meinung, abgesichert über den geistigen Abgleich mit dem Konsens, schenkt uns diese Gewissheit und entrückt uns mit jeder Bestätigung dessen, einer Versöhnung.

 

Ich. Nein ich. Oder auch nur das bloße schweigen, lassen die eigenen Gehirnzellen glühen von Interpretationsvarianten, die für das Schweigen des Gegenübers verantwortlich sind. Eines steht jedenfalls fest, wohlwollend ist keine Version der Gedanken.

 

Versöhnen ist also nichts anderes, als der subjektiven Überzeugung zu entfliehen. Ernsthaft versuchen, den Disput aus der objektiven Abwägung aller (!) Argumente zu betrachten und wenn es denn gar nicht anders geht, auch zu bewerten. Aber immer unter der Prämisse de „good will“, denn keine Seite zieht langfristig einen Vorteil aus dem Umstand, dass man sich nicht einmal mehr aneinander reiben kann. Das Gegenüber ist als Korrektiv und im 2worst case2 als Zuhörer der eigenen Überzeugungen nicht nur gewünscht, sondern darüber hinaus auch unabdingbar.

 

Eine eigene Meinung ist nämlich nur dann überhaupt relevant, wenn sie in Disposition zu einer anderen steht oder wenigstens aus einer anderen Perspektive betrachtet wird. Man erwartet die Bestätigung und wird beim Gegenteil an einem wunden Punkt getroffen: Dem fehlbaren Ich. Das tut weh, weshalb wir schnell aus der Haut fahren und in den rituellen Kampfmodus umschalten, der nur die notwendigsten Verstandeskapazitäten in Anspruch nimmt.

 

Und genau an diesem Moment, kurz vor dem Explodieren, shortly bevor das HB Männchen durch die decke geht, ist es ratsam, die kraft der Wut in Vorfreude auf die andere Meinung zu verwandeln, denn der andere hat es auch nur gut gemeint, es ging schließlich nur um ihn. Deshalb ist in der Tat an jeden gedacht, wenn jeder an sich denkt, aber nur, weil ein jeder weiß, dass jeder an sich denkt.

 

Aber der beste Grund sich zu versöhnen, ist immer noch das beglückende Gefühl, wenn eine wahrhaftige Umarmung mit all ihrer Wärme, jede Kälte des Zorns im Keim erstickt.

 

Bis morgen.

 

Bild: Adolf Ulf Muenstermann