Die Pflege von Familienangehörigen treibt viele Frauen in die Altersarmut. Das ist das Ergebnis eines am Dienstag vorgestellten Gutachtens im Auftrag des Sozialverbands SoVD. Wer den beruflichen Werdegang zugunsten der Familie zurückstelle, werde "mit einem geringeren Einkommen und einer geringeren Rentenanwartschaft bestraft". SoVD-Präsident Adolf Bauer forderte: "Häusliche Pflege muss endlich besser anerkannt werden." Zudem müsse sich die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern.
Das Profil pflegender Angehöriger lässt sich dem Gutachten zufolge wie folgt beschreiben: 68 Prozent sind weiblich, 73 Prozent verheiratet und der größte Anteil der Pflegenden ist zwischen 55 und 64 Jahre alt. Der Umfang der häuslichen Pflege beläuft sich demnach auf rund 21 Stunden pro Woche und wird häufig in Kombination mit einer Teilzeit-Erwerbstätigkeit realisiert. Die Pflegedauer beträgt im Schnitt vier Jahre.
Eine Absicherung gegenüber Armut durch häusliche Pflege erfolge "von staatlicher Seite nur marginal", so die Autoren des Gutachtens. Gesetzliche Mechanismen wie Pflegezeit, Familienpflegezeit oder Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf "können den Verdienstausfall nicht vollständig kompensieren".
"Frauen, die ihren beruflichen Werdegang zugunsten der Familie zurückstellen, werden gegenüber vollzeitarbeitenden und durchgängig beschäftigten Personen mit einem geringeren Einkommen und einer geringeren Rentenanwartschaft bestraft", heißt es in dem Gutachten. "Die These, dass weibliche (Alters-)Armut in der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit und der damit verbundenen geringen (stundenmäßigen) Erwerbsbeteiligung begründet liegt, kann bestätigt werden."
Unter allen zu Hause Pflegenden sind dem Gutachten zufolge 65 Prozent berufstätig. Beinahe jede zweite Pflegeperson reduziere die Arbeitszeit. "Pflegende haben mit 54 Prozent eine geringere Erwerbsquote gegenüber den Nicht-Pflegenden mit 76 Prozent", heißt es in der Studie. "Gründe für eine unzureichende Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sind emotionale, körperliche und zeitliche Belastungen auf der privaten Ebene sowie unflexible Arbeitszeiten, mangelnde finanzielle Ressourcen und die Befürchtung von Karrierenachteilen auf beruflicher Ebene."
Der Rückzug vieler pflegender Frauen aus dem Beruf habe weitreichende Folgen für das Alterseinkommen, betonte SoVD-Präsident Bauer. "Aufgrund der unterbrochenen Erwerbsarbeit zahlen sie entweder geringere Beiträge in das Sozialversicherungssystem ein oder sie sind ausschließlich über ihren Partner abgesichert."
Nötig sei "insbesondere eine Aufwertung der unbezahlten Sorgearbeit", forderte der Verbandspräsident. Konkret müsse dies durch einen finanziellen Ausgleich erfolgen. Zudem gelte es, die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf "für Frauen und Männer gleichermaßen zu verbessern".
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland lag Ende 2017 laut Statistischem Bundesamt bei 3,4 Millionen Menschen. Die Mehrzahl von ihnen wird ausschließlich durch Angehörige versorgt. Die Studienautoren Katja Knauthe von der Hochschule Zittau/Görlitz und Christian Deindl vom Universitätsklinikum Düsseldorf gehen von einer deutlich höheren Zahl an Pflegebedürftigen aus, da nicht alle statistisch erfasst würden.
Knauthe nannte die Zahl von rund 5,4 Millionen Pflegebedürftigen. Die Zahl der privat pflegenden Menschen betrage Schätzungen zufolge zwischen drei und fünf Millionen.
cha/cne AFP