Wenn die jungen Äste mit ihrem teilweise noch satten Blattwerk ihre erste Feuertaufe bestehen müssen und die älteren Geschwister bereits in den buntesten Farben auf dem Boden tanzen, dann ist er da, der Herbst.
Es wird echter. Man darf sich endlich mal wieder als Teil der Gezeiten erleben. Der Boden zerfließt matschig in den Ritzen der Sohlen, die Tropfen des Regens peitschen das Gesicht mit brutaler Realität und omnipräsent: Diese rauschende Urgewalt, die Erinnerung an die Apokalypse, der antisexuelle Orgasmus.
Wenn man trotzt aus Instinkt. Die Wangen frisch rot von der unbarmherzigen Umwelt geküsst, die trockene Raumtemperatur in sich aufsaugen und nur Kerzenflammen im Wind fast so beruhigend wirken wie Liebkosungen, gehauchte Zärtlichkeiten als Meister der triumphierenden Gedanken.
Endlich hat man morgens mehr Zeit, um im Lichtspiel des Mondes die Silhouette der Geliebten zu bewundern. Endlich ist es so, dass, wenn die Nacht hereinbricht, Naturgewalten mit Blutgeschrei jede menschliche Erfindung zunichte machen könnten. Wenn die Natur zeigt, was sie kann.
Zerbrechliche Puppengesichter, umfangen von edel, kuscheligen Kaschmir-Schals mit jedem Atemzug bald wieder den frischen Atem aus rosigen Lippen befreien und dazu die Sterne in ihren Augen glänzen.
Wenn das Geschenkpapier besonders glänzt, ohne das Präsent selbst je zu übertreffen. Wenn man Handtuch statt Blumen und Tee statt Champagner reicht. Wenn der Wind, der Wind, das himmlische Kind einem ins Ohr säuselt: Ich will kuscheln.
Wenn es endlich wieder Herbst wird.
Bild: Adolf Ulf Muenstermann