Um das zu machen, was möglich ist, muss man aber jung, schlank, klug und finanziell unabhängig sein. All das bin ich nicht.
Nicht beirren lassen und John Lennons „life´s what happens when you suppose to do something different“ zum Mantra jedes Augenblickes machen. Ich für meinen Teil machte das,indem ich malte wie ein Besessener, stürzte mich in das scheinheilige Leben eines Schauspielers und in die Dekadenz von Jung von Matt, serviceplan und Thjnk als Werbekonzeptioner sowie den "Beruf" des Casters. In all den Jahren lehrte mich der nitzschianische Zufall, dass man alles überlebt und die schönsten Geschichten das Leben schreibt. Aber nur, wenn man genau hinguckt. Es geht nicht um den teleologischen Porsche, sondern um das Sexualdispositiv in meinem Kopf.
Es kommt also nicht darauf an was passiert, sondern darauf, wie man es erlebt und präsentiert. Und das interessanteste Geschenkpapier ist genau das, was einem verspricht ein gehegter Traum zu sein und sich auch als genau jener entpuppt; allerdings als ein Unerwarteter.
Wenn folglich das Ordinäre, das Vulgäre oder das Profane unausweichlich ist, dann liegt die Herausforderung und das Geheimnis im Verkauf der Historie beim Talent, das Unausweichliche in das Gewand eines persönlichen Wunschtraums zu verwandeln.
Der klügste Ratschlag, der sich für mich aus all den Jahren kultivierte, war zu machen, was am abwegigsten war. Nicht weil es am wenigsten Spaß versprach, sondern weil es mit den nachhaltigsten „Aha-Effekten“ verbunden ist, denn das, wovon man keine Ahnung hat, überrascht einen wie das Kaninchen im Zylinder des Zauberers. Weil der Zauber im Erkennen der Mechanik des Unmöglichen liegt.
Ergo studiere ich Germanistik als Legastheniker und Philosophie als Lesehasser. Die Rampensau versteckt sich auf 45 Quadratmetern im urbanen Irgendwo und der Entertainmentjunky entsagt den digitalen Verführungen. Kurz: Der Zwang zur Kreativität.
Auf diesem Weg habe ich mich noch nicht gefunden, aber viel von dem entdeckt, was ich nicht bin, indem ich hinterfragte, was ich glaubte zu sein. Enttäuschung wurde zur frohen Kunde der Selbsterkenntnis und die Frage nach dem Obligatorischen, zur Basis meiner Behauptungen, aber im Unterschied zu Sokrates nicht zum Einzigen, worüber ich spreche. Denn wenn keiner weiß, was die Wahrheit ist, darf auch jeder in den buntesten Farben spekulieren, wie sie sein könnte.
Und weil jede Regel erst durch die Ausnahme ihre Daseinsberechtigung erhält, gibt es auch bei mir einige Konstanten, die sich wie die Perlen am Hals von Doris Day durch mein Leben ziehen, die Liebe zu meiner 15-jährige Tochter Zoé und die Leidenschaft zum Erzählen.
Wenn küssen das schönste ist, das ein Mund machen kann, dann sollte sich das Zweitschönste, das Sprechen, daran orientieren. Jedes Wort sollte für die Ohren wie ein ersehnter Gast erscheinen, auch wenn die Nachricht des Satzes nicht zwingend Wohlgefühle hervorbringen muss. Was nicht heißt, dass es im klassischen Sinne „schön“ ein muss, es reicht, wenn es die Amygdala überrascht, denn wenn es unerwartet ist, dann ist es auch noch nicht bewertet und somit eine geistige Bereicherung, im Notfall nur als dialektisches Pendant meiner Argumentation.
Deshalb schreibe ich Kolumnen. Meine Worte sollen in Ihrem Kopf bereichernde Friktionen hervorrufen.
Bis morgen,
adolf.muenstermann@gmail.com