Ein Radweg, der womöglich nie benutzt werden kann, ein teures Schul-Kunstwerk aus Gold, das gestohlen wurde und bis heute verschwunden ist: Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat in seinem am Dienstag veröffentlichten "Schwarzbuch" erneut zahlreiche Fälle zusammengetragen, in denen Steuermittel fragwürdig verwendet wurden.
So wurde im sächsischen Vogtlandkreis ab 2013 ein neues Stück Radweg von 1,7 Kilometern Länge gebaut. Dazu wurde den Angaben zufolge ein bereits vorhandener Weg verbreitert und asphaltiert sowie mit einer Brücke ergänzt, was geschätzt 275.000 Euro kostete. Allerdings verzichtete der Kreis auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein Planfeststellungverfahren.
Das Problem: Der Radweg führt durch ein Naturschutzgebiet. Deshalb reichte laut Steuerzahlerbund ein Umweltschutzverband bereits während des Baus Klage ein. Der Fall ging bis zum Bundesverwaltungsgericht - das die Radwegnutzung untersagte, so lange keine Genehmigung für das Bauwerk vorliege. Der Kreis versucht diese nun nachträglich zu bekommen. Doch womöglich muss der neue Radweg wieder entfernt werden.
Entfernt wurde auch ein teures Kunstwerk in einer Berliner Schule - von Einbrechern. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen: Die Grundschule im Stadtteil Biesdorf hatte eine Art Vogelnest aus Feingold in einer Vitrine ausgestellt. Für das Werk und die Sicherheitsvorkehrungen wurden laut Stadtverwaltung insgesamt 92.500 Euro gezahlt.
Schon kurz nach der Aufstellung der Vitrine mit dem Goldnest gab es einen ersten "Einbruchsversuch", ein zweiter folgte - der dritte hatte schließlich Erfolg. Bisher ist der Fall nicht aufgeklärt.
"Der Senat gibt den Sanierungsstau an den Berliner Schulen mit insgesamt 3,9 Milliarden Euro an", kommentierte der Steuerzahlerbund. "Da werfen Ausgaben von 92.500 Euro für ein winziges Kunstwerk aus massivem Gold tatsächlich viele Fragen über den Wert von Bildung auf."
Ein weiterer Fall im "Schwarzbuch": In Stuttgart zahlte die Stadtverwaltung 93.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zu der Frage, ob auf dem Neckar eine künstliche Welle zum Surfen einrichtet werden kann, wie es private Investoren vorhatten. Während des weiteren Verfahrens wies jedoch das Landesgesundheitsamt laut Steuerzahlerbund nach, "dass der Neckar dauerhaft mit Fäkalien und Krankheitserregern belastet ist". Die Baumaßnahmen für die künstlichen Welle wurden deshalb nicht genehmigt.
Aus Steuerzahlersicht stelle sich die Frage, "ob der Stadt die Wasserqualität des Neckars nicht bekannt war", erklärte der BdSt. "Denn dann hätte man schon frühzeitig erkennen können, dass dieses Projekt derzeit nicht genehmigungsfähig ist."
Einen Eintrag im "Schwarzbuch" bekam auch die Hochstufung der Bundesstraße 6 zur Autobahn 36 in Sachsen-Anhalt. Hier müssen nun auf rund 100 Kilometern Länge statt gelber Schilder blaue Exemplare aufgestellt werden. Kostenpunkt: knapp 2,85 Millionen Euro plus Planungs- und Verwaltungsaufwand.
"Für die Autofahrer ändert sich, abgesehen von den neuen Schildern, nichts", moniert der Steuerzahlerbund. Denn die Bundesstraße war bereits als vierspurige Straße autobahnähnlich ausgebaut. "Der Schilderaustausch bedeutet in erster Linie eine irrwitzige Geldverschwendung."
Das "Schwarzbuch" zeige erneut, "dass der Staat jedes Jahr Steuergelder in Milliardenhöhe für die abwegigsten Projekte verschwendet, anstatt die Prioritäten richtig zu setzen", sagte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr der Nachrichtenagentur AFP. "Deswegen brauchen wir mittelfristig dringend ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem in Deutschland."
cne/cha AFP
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