Die Anklageschrift richtet sich gegen einen 27-jährigen Angeschuldigten aus Münster, dessen 45 Jahre alte Mutter sowie einen 30 Jahre alten Angeschuldigten aus Staufenberg, einen 35-jährigen Mann aus Hannover sowie einen 42-Jährigen aus Schorfheide.
Die Anklageschrift umfasst einen Zeitraum ab dem Jahr 2018 bis zum 03.05.2020. Ganz überwiegend richten sich die Vorwürfe gegen den 27-jährigen Münsteraner.
Dem Angeschuldigten aus Münster wird vorgeworfen, bei 26 unterschiedlichen Gelegenheiten an nicht bekannten Orten schwere sexuelle Missbrauchshandlungen zum Nachteil des im Oktober 2009 geborenen Sohnes seiner Lebensgefährtin begangen zu haben. Soweit sich nach der Auswertung eines bei dem Angeschuldigten im Jahr 2019 sichergestellten und ehemals verschlüsselt gewesenen Laptops (der erst im Jahr Mai 2020 entschlüsselt werden konnte) Zeitpunkte feststellen ließen, sollen diese angeklagten Taten im November und Dezember 2018 sowie im Januar und März 2019 geschehen sein. Von diesen angeklagten Missbrauchstaten soll der Angeschuldigte Videos und Fotos angefertigt und auf seinem Laptop gespeichert haben, um sie dann über das sogenannte Darknet an bislang unbekannte Personen zu übermitteln.
Im Mai 2019 soll der Angeschuldigte aus Münster gemeinsam mit dem Sohn seiner Lebensgefährtin nach Köln gefahren sein, um sich dort mit einem 41 Jahre alten Mann zu treffen. Diesen Mann soll der Münsteraner über das Internet in einer Chatplattform kennengelernt haben, die - nach den Ermittlungsergebnissen - von pädophilen Personen genutzt wird. Der Zweck dieses Treffens soll ausschließlich darin gelegen haben, den Jungen gemeinsam sexuell zu missbrauchen. In einem Waldstück sollen dann sowohl er als auch der 41-jährige Mann aus Köln den Jungen in dem PKW des Angeschuldigten sexuell missbraucht haben.
Der Angeschuldigte aus Münster lernte zu einem nicht genau feststehenden Zeitpunkt - vermutlich über das Internet - die Mitangeschuldigten aus Hannover, Staufenberg und Schorfheide kennen. Der Angeschuldigte aus Staufenberg ist Vater eines im Januar 2015 geborenen Sohnes sowie einer im Mai 2013 geborenen Tochter.
Diese vier Angeschuldigten sollen sich in der Zeit vom 24.04. bis zum 26.04.2020 in einer Gartenlaube in Münster getroffen haben. Zu diesem mehrtägigen Treffen soll der Angeschuldigte aus Staufenberg seinen fünfjährigen Sohn und der Angeschuldigte aus Münster den zehn Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin mitgebracht haben. Nach Bewertung der Staatsanwaltschaft war das alleinige und zuvor vereinbarte Ziel der Zusammenkunft, die beiden Kinder über mehrere Tage schwer sexuell zu missbrauchen. Die Angeschuldigten aus Münster und Staufenberg hatten während dieses Zeitraums zudem jeweils Geburtstag.
Entsprechend der Zielsetzung soll es in der Nacht vom 24. auf den 25.04.2020, am Morgen bzw. am Vormittag des 25.04.2020 sowie am Abend und in der Nacht des 25. auf den 26.04.2020 wiederholt zu zahlreichen schweren sexuellen Missbrauchshandlungen zum Nachteil der beiden Kinder gekommen sein. Die vier Angeschuldigten sollen die Kinder unterschiedlich häufig gemeinschaftlich missbraucht haben; die angeklagten Missbrauchsgeschehnisse sollen zum Teil in kurzer zeitlicher Abfolge und zugleich über mehrere Stunden stattgefunden haben.
Nach den durchgeführten Ermittlungen besteht zudem der Verdacht, dass der 27-jährige Angeschuldigte - mit Billigung der Mitangeschuldigten - dem zehn Jahre alten Jungen in der Nacht vom 24. auf den 25.04.2020 sowie am späten Abend des 25.04.2020 ein Getränk gegeben hat, in dem sich das Mittel Gammabutyrolacton (GBL; auch bekannt als sog. KO-Tropfen bzw. Liquid Ecstasy) befunden haben soll. Hierdurch sollte - so die Bewertung in der Anklageschrift - der Junge in einen wehrlosen, möglicherweise bewusstlosen Zustand versetzt werden, damit anschließend während der Wirkung des Mittels einige der vorgeworfenen sexuellen Handlungen vorgenommen werden konnten. Insgesamt soll es bei zwei verschiedenen Gelegenheiten zu der Gabe des Mittels und im Anschluss zu schweren sexuellen Missbrauchshandlungen gekommen sein; an dem insoweit angeklagten Geschehen am späten Abend des 25.04.2020 war der Angeschuldigte aus Staufenberg indes nicht beteiligt, da er sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Gartenlaube aufgehalten haben soll.
Der Mutter des Angeschuldigten aus Münster gehörte diese Gartenlaube. Sie soll die Laube ihrem Sohn und den Mitangeschuldigten in dem Wissen überlassen haben, dass während des mehrtätigen Aufenthalts die beiden Jungen sexuell missbraucht werden sollten.
In den Abendstunden des 03.05.2020 sollen sich der Angeschuldigte aus Münster und der Angeschuldigte aus Hannover in derselben Gartenlaube in Münster erneut zusammen mit dem zehnjährigen Jungen aufgehalten haben. Der 27-jährige Angeschuldigte soll dem Jungen - mit Einverständnis des Mitangeschuldigten - wieder ein Getränk mit dem Mittel Gammabutyrolacton gegeben haben, wodurch der Junge vorübergehend quasi bewusstlos geworden sein soll. Sowohl während dieser möglichen Bewusstseinstrübung als auch nach dem Ende der Wirkung des Mittels soll es zu schweren, gemeinschaftlich begangenen sexuellen Missbrauchshandlungen zum Nachteil des Jungen durch die beiden Angeschuldigten gekommen sein.
Der Angeschuldigte aus Staufenberg ist zudem verdächtig, seinen Sohn in der Wohnung in Staufenberg bei vier unterschiedlichen Gelegenheiten (vermutlich im Jahr 2018) schwer sexuell missbraucht und von diesen angeklagten Missbrauchshandlungen Fotoaufnahmen gefertigt zu haben.
Zudem wird ihm vorgeworfen, im Jahr 2018 einmal auch an einem jungen Mädchen sexuelle Handlungen vorgenommen und entsprechende Aufnahmen gefertigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei dem Mädchen um die zu dem möglichen Tatzeitpunkt fünf Jahre alte Tochter des Angeschuldigten gehandelt haben könnte.
Die fünf Angeschuldigten befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft. Sie haben sich nicht zu den Tatvorwürfen geäußert.
Mit Ausnahme des Angeschuldigten aus Münster sind die Mitangeschuldigten nicht vorbestraft.
Der Tatverdacht gegen die Angeschuldigten stützt sich maßgeblich auf die Auswertung der sichergestellten Datenträger. Insbesondere konnten Experten des Polizeipräsidiums Münster solche Daten wiederherstellen, die sich auf einer bereits gelöscht gewesenen Festplatte aus der Gartenlaube befanden. Auf dieser Festplatte befanden sich mehrstündige Aufzeichnungen einer Videokamera, die oberhalb eines Bettes in der Laube installiert gewesen war und die Vorgänge in der Gartenlaube aufzeichnete. Grundlage für die entsprechenden Vorwürfe in der Anklageschrift (24.-26.04.2020 sowie 03.05.2020) sind Videoaufzeichnungen aus der Gartenlaube mit einer geschätzten Gesamtlänge von ca. 30 Stunden.
Bei den Durchsuchungsmaßnahmen konnten zudem unter anderem mehrere Fläschchen mit Gammabutyrolacton sichergestellt werden.
Das Landgericht Münster hat über die Zulassung der Anklageschrift zu entscheiden.
Soweit sich weitere Beschuldigte in Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Münster in Untersuchungshaft befinden (insoweit wird auf die Pressemitteilungen vom 30.06. und 02.07.2020 Bezug genommen), sind die Ermittlungen teilweise abgeschlossen bzw. dauern an. Die weiteren Ermittlungen konzentrieren sich insbesondere auf die Auswertung der umfangreichen IT-Asservate und in diesem Zusammenhang auf die Aufklärung weiterer möglicher Straftaten und die Identifizierungen weiterer eventueller Opfer und zusätzlicher Beschuldigter.
Gegenstand der Ermittlungen ist weiterhin auch der Aspekt, ob sich die Mütter der mutmaßlich missbrauchten Kinder strafbar gemacht haben könnten.
Ergänzende Erläuterungen und Hinweise:
Im Hinblick auf die schutzbedürftigen Interessen der Kinder werden Details der angeklagten Missbrauchsvorwürfe nicht geschildert. Der zehnjährige Junge aus Münster sowie die Kinder des Angeschuldigten aus Staufenberg befinden sich in der Obhut der zuständigen Jugendämter.
Die angeklagten Ereignisse in der Gartenlaube in der Zeit vom 24.-26.04.2020 hat die Staatsanwaltschaft nicht als eine einzige Tat, sondern im Hinblick auf zeitliche Zäsuren des vorgeworfenen Geschehens als drei selbständige Handlungen angeklagt.
Vor diesen Hintergrund werden dem Angeschuldigten aus Münster insgesamt 31 dem Angeschuldigten aus Hannover insgesamt 4 dem Angeschuldigten aus Staufenberg insgesamt 7 und dem Angeschuldigten aus Schorfheide insgesamt 3 selbstständige Handlungen vorgeworfen.
Die angeschuldigte Mutter des 27-Jährigen ist einer Beihilfehandlung (zu den angeklagten Taten im Zeitraum des 24.-26.04.2020) verdächtig.
Die angeklagten Taten erfüllen nach rechtlicher Bewertung der Staatsanwaltschaft unterschiedliche Straftatbestände. Neben des Verdachts des schweren, teilweise gemeinschaftlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Kindern besteht - wegen der vorgeworfenen Verabreichung des Mittels GBL und der damit möglicherweise hervorgerufenen Widerstandsunfähigkeit - auch der Verdacht der (gemeinschaftlichen) Vergewaltigung sowie der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des zehnjährigen Jungen.
Gegen den Angeschuldigten aus Münster sowie den Angeschuldigten aus Staufenberg besteht zudem der Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.