Stadt40: Wie positioniert sich Ihre Partei angesichts der erschwerten Haushaltslage gegenüber solchen Großprojekten wie Hafenmarkt und Musik-Campus?
Szybalski (ML): Der Hafenmarkt ist ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte, von der Kommunikation bis hin zur geplanten Umsetzung. "Anstelle des Hafenmarktes wollten wir schon immer lieber Wohnbebeauung, Grün- und Spielflächen", so Szybalski. Der Musik-Campus ist hingegen ein Projekt das durchaus Sinn macht. Wir sind der Auffassung, dass es in Münster für viele Musiker*innen zu wenig Raum gibt und würden daher gerne die Vertreter*innen aller Musikrichtungen zusammenbringen, um mit ihnen gemeinsam einen Vorschlag zu erarbeiten. Von dem Projekt sollen möglichst alle Beteiligten profitieren, "wir brauchen kein reines Vorzeigeobjekt".
Stadt40: Auf welche Weise soll dem Einzelhandel und der Gastronomie unter die Arme gegriffen werden?
Szybalski (ML): Der Einzelhandel in der Innenstadt ist eine der großen Stärken von Münster, mit großer Anziehungskraft weit über die Region hinaus. Wir sehen Münster auch als "Einkaufs- und Erlebnisstadt". In diesem Zusammenhang soll der gesamte Kernstadtbereich autofrei werden. Wir wollen einen öffentlichen Personen-Güter-Verkehr für das Shopping einführen, der mit dem Busverkehr vergleichbar ist. Dieser soll kommunal organisiert werden. Die Gastronomie ist relativ gut und flexibel aufgestellt, "Gastronom*innen reagieren sehr gut auf die corona-bedingten Veränderungen", so Szybalski. Ein Beispiel dafür ist der vermehrte Ausbau der Außenbereiche. Generell sollte die Gastronomie allerdings auch über das Zentrum Münsters hinaus weiter ausgebaut werden, sodass man auch in Coerde in die Kneipe um die Ecke gehen kann - "Für alle Menschen erreichbar" ist hierbei das Leitmotiv.
Stadt40: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Probleme, denen sich der Rat nach der Wahl stellen muss?
Szybalski (ML): "Nachhaltigkeit, Offenheit, Soziales und Basisdemokratie." Der Klimawandel wird auch in Münster gemacht und da können wir Vorreiter werden. Es ist durchaus möglich Münster als klimaneutrale Stadt zu gestalten. Stichpunkt Offenheit - "Münster ist bunt und international und das soll auch gezeigt werden", so Szybalski. Wir brauchen mehr Menschen mit Migrationsvorgeschichte in der Stadtverwaltung und in den städtischen Betrieben, aber auch in der Zivilgesellschaft. Ein negatives Beispiel ist der Stadtsportbund: Dort gibt es keinen Menschen mit Migrationsvorgeschichte in den verantwortungsvollen Positionen, "und das kann nicht sein bei über 80.000 Menschen mit Migrationsvorgeschichte in der Stadt", beklagt Szybalski.
Stadt40: Wie hat die Corona-Krise Ihre Prioritäten im Parteiprogramm neu geordnet?
Szybalski (ML): Wir haben uns erst am 17. Februar mit der Internationalen Liste zu Münster ist bunt und international zusammengeschlossen. Bei der anschließenden Programmdiskussion ist uns Corona mehr oder weniger "voll dazwischengeknallt", sodass wir erst Anfang August unser Kurzprogramm vorlegen konnten. Eine Langfassung ist zwar existent, es wurde aber noch nicht darüber abgestimmt. Generell ist die Corona-Krise für uns ein Indikator dafür, dass jetzt erst recht für zukünftige Generationen investiert werden muss und das Augenmerk von der "schwarzen Null" wegbewegt werden sollte.
Stadt40: Welchen Kurs zwischen Einschränkungen und Lockerungen befürworten Sie?
Szybalski (ML): Corona schränkt natürlich unser aller Leben maßgeblich ein und wird auch nicht kurzfristig lösbar sein. "Die Menschen werden sich daran gewöhnen müssen, dass wir uns entsprechend anders verhalten müssen", so Szybalski. Dazu gehört das Abstand halten ebenso wie das Tragen von Masken, wenn wir Menschen sehr nahe kommen und häufigeres Händewaschen, "ob Strafen das richtige sind mag ich zu bezweilfeln". In erster Linie muss auf die Einsicht der Menschen gesetzt werden. Die größte Gefahr sind in diesem Zusammenhang die Menschen, die Corona leugnen und gegen die Maßnahmen hetzen. Sie müssen zu ihrem eigenen Schutz und vor allem zum Schutz der anderen Menschen überzeugt werden.
Stadt40: Wie wollen Sie Münster zukunftsfähig machen (Stichworte Energie, Wohnen, Mobilität)?
Szybalski (ML): Zukunftsfähig heißt für uns vor allem, dass es nachhaltig ist bzw. dass Münster klimaneutral wird. Wir müssen es schaffen, dass alle Menschen hier gut und gerne leben können/wollen. Insbesondere im Bereich der Basisdemokratie wollen wir den Menschen von der untersten Ebene an mehr Eigenverantwortung für das geben, was in ihrem nahen Umfeld gestalterisch passiert - "also genau das Gegenteil von dem, wie wir es jetzt haben", so Szybalski. Wir beklagen, dass die Menschen zu spät oder gar nicht informiert werden und möchten dies grundlegend ändern. Die Menschen sollen so früh wie möglich eingebunden werden und es soll eine "Politik aus Sicht der Menschen" etabliert werden.
Hinsichtlich des Themas Mobilität möchten wir die Stadt bis zum Ring autofrei bzw. emmissionsarm gestalten. Autos, die auf einem Wasserstoff-Antrieb basieren oder elektronisch betrieben werden, können gerne reinfahren, "alle anderen haben da nichts verloren", meint Szybalski. Man kann den Menschen in diesem Punkt ruhig mehr zutrauen. Wenn sie heute wissen, dass sie in drei Jahren nur noch mit einem Elektro- oder Wasserstoffauto in die Innenstadt kommen, dann würden sie sich bei einer Neuanschaffung genau überlegen, wofür sie sich entscheiden und wo sie den Strom ggf. herbekommen. "Der Trend würde dann eher Richtung Wasserstoff bzw. Elektroauto gehen", so Szybalski.
Stadt40 bedankt sich für das nette Gespräch!