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Unfreiwillig abgeschoben

"Sie wurde in den Rücksitz gestoßen, sie hat geschrien, dass sie nirgendwo hingehe", berichteten Anton Rodnenkow und Iwan Krawtsow, die an der Grenze dabei waren und sich für die Ausreise in die Ukraine entschieden.

Die verschwundene belarussische Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa sollte nach Angaben von Augenzeugen gegen ihren Willen in die Ukraine abgeschoben werden. Zwei Augenzeugen schilderten am Dienstag in Kiew die Umstände der Festnahme der 38-Jährigen an der Grenze. Diese habe sich gegen ihre Abschiebung in die Ukraine gewehrt und sei daraufhin festgenommen worden. Dagegen erklärte der belarussische Grenzschutz, die Oppositionelle sei bei dem Versuch festgenommen worden, die Grenze zur Ukraine zu überqueren.

Die 38-Jährige aber habe "ihren Reisepass zerrissen", sei "aus dem Fenster ins Freie geklettert" und zurück Richtung Belarus gegangen. Am Ende sei die Oppositionspolitikerin festgenommen worden.


Kolesnikowa war am Montag verschwunden. Nach Angaben des Koordinierungsrates der belarussischen Opposition wurde sie "von Unbekannten im Zentrum von Minsk entführt". Am Dienstag erklärte der belarussische Grenzschutz, die Oppositionspolitikerin sei "in Gewahrsam". Sie habe versucht, in der Nacht zum Dienstag gegen 4.00 Uhr morgens, die Grenze zur Ukraine zu überqueren. Zwei weiteren Mitgliedern des oppositionellen Koordinierungsrates, die Kolesnikowa begleiteten, sei der Grenzübertritt gelungen.

Kiew widersprach der Darstellung aus Minsk zu Kolesnikowa. "Das war keine freiwillige Ausreise, es war eine erzwungene Abschiebung aus ihrem Heimatland", erklärte der ukrainische Vize-Innenminister Anton Geraschtschenko im Online-Dienst Facebook mit. Die Oppositionspolitikerin habe "gehandelt", um ihre Abschiebung zu verhindern. Diese Angaben wurden am Abend von Rodnenkow und Krawtsow bestätigt.

Wo genau Kolesnikowa festgehalten wird, blieb zunächst unklar. Ihr Verschwinden hatte international Besorgnis ausgelöst. Unter anderem verurteilte das französische Außenministerium am Dienstagabend "aufs Schärfste die Praxis, Mitglieder der Opposition ins Exil zu zwingen". 

Kolesnikowa ist eine Führungsfigur der Opposition und die letzte in Belarus verbliebene der drei Frauen, die den Wahlkampf gegen den autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko geprägt hatten. Die 38-Jährige hatte zuletzt maßgeblich bei den Großdemonstrationen gegen Lukaschenko mitgewirkt. Die Flötistin hat zuvor zwölf Jahre in Deutschland gelebt und in Stuttgart Musik studiert.

Wenige Tage vor ihrem Verschwinden sagte sie dem Zeit-Magazin, sie träume davon, "dass die Menschen in Belarus in einem rechtsstaatlichen System aufwachen können, das sich Europa zum Vorbild nimmt". Lukaschenko müsse zurücktreten: "In den vergangenen 26 Jahren hat er uns in Grund und Boden regiert."

Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die ihrerseits nach Litauen ins Exil gegangen war, bat am Dienstag bei einer Anhörung per Videoschalte im Europarat um internationale Unterstützung für die Gegner von Lukaschenko. "Wir brauchen internationalen Druck auf dieses Regime und den, auf den sich die Macht konzentriert", sagte Tichanowskaja. 

Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August demonstrieren die Menschen in Belarus gegen den seit 26 Jahren autoritär regierenden Lukaschenko. Sie werfen der Regierung massiven Betrug bei der Wahl vor, die Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben soll. Dabei lassen sie sich auch von der Gewalt der Sicherheitskräfte nicht abschrecken.

Lukaschenko seinerseits gab sich am Dienstag weiter unbeeindruckt von den Protesten und zeigte sich überzeugt, dass ohne ihn als Präsidenten "das ganze System zusammenstürzt und dann ganz Belarus". Und wenn dies geschehe, sei "Russland als nächstes dran", warnte er die Führung in Moskau in einem Gespräch mit mehreren russischen Medien. Russland unterstützt im belarussischen Machtkampf bisher Lukaschenko.

jes/ju

© Agence France-Presse