Andrew Warhola, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, wurde am
6. August 1928 geboren in einem osteuropäischen Nest in Polen, nahe der slowakischen
Grenze und war das jüngste von drei Kindern. Mamas Liebling, der zu sensibel
für die menschliche Arbeiterklasse war, hasste sein Leben. Er empfand sich,
besonders wegen seiner Nase als unerträglich hässlich und fristete seine
Kindheit, wie Karl Lagerfeld, mit zeichnen. Er liebte die Hochglanzmagazine und
setzte sich schon früh mit Kontrasten auseinander. Hell und dunkel, schwarz und
weiß. Grell und plain. Andy Warhol versuchte zeitlebens, die visuelle
Strahlkraft durch Reduktion auf wesentliche Details zum Ausdruck bringen. Und
dabei konzentrierte er sich nicht nur auf das weibliche Geschlecht, auch wenn
dies einen zentralen Punkt in seinem Schaffen darstellt. Andy malte alles.
Somit war es nicht verwunderlich, als seine Mutter ihm von einem
Zeichenwettbewerb erzählte, bei dem die beste Kuh prämiert wurde. Gewiss, es
war noch nicht der bekannte Siebdruck-Wiederkäuer, der uns bekannt ist, aber
auch mit jenem Frühwerk, war klar, dass der Junge mehr kann als andere.
Er gewann den Wettbewerb und durfte fortan auch in der heimatlich verorteten Kunstakademie studieren. Eine neue, ganz andere Welt. Mit einem Donnerknall wurde er in die Sphäre von Kultur katapultiert und wie von einem Zunami komplett vereinnahmt. Sein Strich war so einmalig, dass jeder, der seine Werke sah, begeistert war; aber die Arbeiterstadt Pittsburgh war zu klein für den schmächtigen Blonden, und er entschloss sich, gegen die Warnungen seiner Mutter, nach New York zu ziehen, wo er, mit einer Mappe voller Hoffnungen diverse Stellen anlief, um sich als Künstler zu präsentieren. So war es auch nicht verwunderlich, dass er schon bald regelmäßige Aufgaben für Modemagazine übernahm. Er machte sich einen Namen in der Welt der Werbung und wurde schon früh vom Art Directors Club, dem Eliteclub der Werber geehrt. Aber so schön es war, Geld zu verdienen, die Werbung war auch der Grund, warum man ihn als Künstler nicht ernst nahm. Zu profan, zu oberflächlich und zu gefällig, seien seine Werke. Kein gutes Credo für einen, der sich vorgenommen hatte, die Welt zu verändern.
Um eine Präsentationsplattform zu finden, entschloss er sich folglich, Schaufenster mit seinen Arbeiten zu gestalten. Und die Ideen des Damenschuhfetischisten fielen auf, sodass Andy Warhol, wie er sich recht früh verkürzt nannte, nicht nur das Erscheinungsbild des ehemaligen New Amsterdam zu verändern begann, sondern der gesamten Popkultur seinen Stempel aufdrückte.
Aber der homosexuelle Künstler haderte. Mit sich, seiner Sexualität und der Welt um ihn herum. Seine Liebschaften waren intensiv und am Ende meist schmerzhaft, weshalb der „Berührungshasser“ sich mehr darauf zu konzentrieren schien, den Behaviorismus der anderen zu analysieren und darzustellen. Andy Warhol brachte das „urban life“ in die Kunst. Und der Siebdruck wurde sein Markenzeichen. Er schaffte es, durch Drucke des immer gleichen Motivs, die kleinen sich verändernden Facetten zum Narrativ zu gestalten. 10 Marylin Monroes, Elvisse, Beckenbauer oder Elisabeth Taylors erzählten in 2D wofür es keine Worte gab. Jeder erkannte eine Version, die ihm persönlich behagte.
Bohnen und Brühwürfel in überdimensionaler Darstellung wurden zum Synonym für moderne Kunst und Andy Warhol entdeckte die Kamera für sich. Das, was viele als „banale Scheiße“ abtaten, war aber mehr als eine pure Provokation. Acht Stunden Schlaf oder „der Kuss“ sollten die Kunst der Natur und die Faszination des Alltäglichen ins Zentrum einer neuen Moderne versetzen. Und dafür brauchte der kleine Blonde mit der dunklen Brille nicht die Drogeneskapaden, die man ihm andichtet. Er selbst sagte mal, dass er zwar hin und wieder einen kleinen Tripp einwarf, aber seine Kunst darin bestehe, dass er wachsam sei und ihn somit LSD nur von den Bildern in seinem Kopf distanzierten. Das, was alle phantastisch inspirierte, war somit für Andy meist nicht mehr als ein gesellschaftliches „Bier“, das die Kommunikation erleichterte. Selbst wenn er stundenlang am Fenster saß und auf Inspiration wartete, griff er maximal auf Zigaretten zurück. „I need time to wait until it comes“. Geduld, nicht seine Kernkompetenz, wurde folglich zu seiner Königsdisziplin, die er auch bei musikalischen Projekten wie dem mit „velvet underground“ hilfreich waren.
Lawalampeneffekte, radschlagende Körper und die Kraft der Emanzipation von Perversionen und Abartigkeiten waren die Zeit, in der alles möglich war und somit "the place to be“ für Hippies, Promis und Exaltierte jeder Couleur. Sie bevölkerten Andys Factory in New York und katapultierten auch Künstler wie Rauschenberg, die Warhol einst inspirierten, in neue Dimensionen.
Aber eine Kerze, die an beiden Enden lichterloh brennt, erstrahlt nicht lang und somit starb Andy Warhol am 22. Februar 1987 in der Stadt, die ihm erstmalig als wirkliche Heimat erschien: New York.
Banksy, Lichtenstein und Yamamoto, die großen kreativen Revoluzzer wären ohne die unscheinbare Gestalt mit der Strahlkraft der Sonne nicht möglich gewesen und Kunst wäre heute wohl noch reduziert auf goldener Schnitt oder andere technokratischen Disziplinen, die das Schaffen wie einen Gürtel in Form zu halten versuchen, wenn die Farbkraft und Bedingungslose Brutalität der Einfachheit von Andy Warhol nicht wie eine Atombombe in der Mitte des letzten Jahrhunderts an der Ostküste der USA detoniert wäre.
Über die Autounfallbilder und die suizidalen Darstellungen einer Frau sagte er einmal: Ich habe kein Mitleid mit ihnen, aber vielleicht freut es sie irgendwo und irgendwie, wenn man sich ihrer erinnert.
Bis morgen,
(Bild und Text:) adolf.muenstermann@gmail.com