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Das Lager Friedland wird 75

Der Ort im Leinetal ist seit Jahrzehnten ein Zentrum von Flucht und Migration


DIE ANFÄNGE

Das Lager Friedland startet am 20. September 1945 als Provisorium zur Versorgung von Kriegsflüchtlingen, Vertriebenen und entlassenen Kriegsgefangenen auf Anordnung der britischen Besatzungsmacht. Zunächst besteht es lediglich aus Zelten und früheren Viehställen auf einem Versuchsbauernhof der Göttinger Universität, kurz danach folgt der Bau des eigentlichen Lagers.

Dafür werden auf dem Gelände im ländlichen Tal der Leine, an dem sich die Einrichtung noch heute befindet, eiligst behelfsmäßige sogenannte Nissenhütten errichtet. Der Standort ist strategisch gewählt. Er befindet sich an einem Grenzübergang zwischen den Besatzungszonen der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion. 

Da der Ort zudem über einen Bahnhof verfügt, ballen sich dort nach Kriegsende große Flüchtlingsströme. Die Briten wollen mit der Einrichtung des Lagers das Chaos ordnen. Allein in den ersten drei Monaten werden 550.000 Menschen registriert. Zu Spitzenzeiten kommen 1946 täglich 12.000 Menschen dort an.

BERÜHMT DURCH KRIEGSGEFANGENE

Bis 1949 durchlaufen rund 1,7 Millionen Menschen das Lager, das inzwischen von den deutschen Behörden betrieben wird. Danach beginnt eine neue Phase. Der sowjetische Einflussbereich wird zunehmend abgeschottet, die großen Massenbewegungen ebben ab.

Ab 1950 dient das Lager zunächst für die Zusammenführung von Familien aus den ehemaligen deutschen Gebieten in Polen, den ersten sogenannten Aussiedlerwellen. Berühmt wird Friedland dann 1955 als Ort der Ankunft der letzten aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassenen westdeutschen Soldaten und Zivilinternierten. Die "Heimkehr der Zehntausend" bewegt die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft und ist ein Medienereignis. 

Ab 1956 dient Friedland zudem zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Ungarn, die nach der Niederschlagung eines Aufstands gegen die kommunistische Herrschaft aus ihrem Heimatland in den Westen fliehen. Für das Lager bei Göttingen, das direkt an einem der wenigen Grenzübergänge zwischen der Bundesrepublik und der DDR liegt, etabliert sich zunehmend der Begriff "Tor zur Freiheit". 

FLÜCHTLINGE UND SPÄTAUSSIEDLER

In den 70er und 80er Jahren ist Friedland dann ein erster Anlaufpunkt für ganz unterschiedliche Flüchtlingsgruppen, die die Bundesrepublik im Rahmen internationaler humanitärer Hilfen aufnimmt. Den Anfang machen ab 1973 Asylbewerber aus Chile, die vor der Diktatur von Militärmachthaber Augusto Pinochet fliehen.

1978 folgen die ersten "Boat People" aus Vietnam, die ihr Land nach dem Sieg der Kommunisten im Vietnamkrieg in kleinen Booten bei einer lebensgefährlichen Flucht über das Meer verlassen. Viele hätten das Lager damals lediglich in Decken gehüllt und ohne Schuhe erreicht, heißt es auf der Internetseite des Lagers.

Kurz vor dem Fall des Eisernen Vorgangs beginnt Ende der 80er Jahre eine große Aussiedlerbewegung deutschstämmiger Menschen aus Osteuropa. 1988 und 1989 werden jeweils hunderttausend von ihnen in Friedland aufgenommen. Insgesamt nimmt das Lager bei der mehrjährigen Aussiedlerwelle aber keine zentrale Rolle mehr ein, es ist nur eines von vielen Aufnahmezentren bundesweit.

VORERST LETZTE BEWÄHRUNGSPROBE

Pläne der Behörden, das zunehmend weniger frequentierte Lager einzumotten und nur noch als Reserveeinrichtung bereitzuhalten, stießen auf entschiedenen Widerstand der örtlichen Bevölkerung. 1999 sammelte sie 15.000 Unterschriften für den Weiterbetrieb. 

Heute ist es die einzige Erstanlaufstelle für Spätaussiedler bundesweit, zudem dient es seit 2011 dem Land Niedersachsen als Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende. Die vorerst letzte große Bewährungsprobe musste Friedland in der Flüchtlingskrise 2015 meistern. Das Lager mit seinen rund 800 Plätzen war damals laut Behörden mit bis zu 3500 Flüchtlingen insbesondere aus den Kriegs- und Krisenstaaten Syrien und Irak völlig überfüllt.

bro/cfm