Geschichte ist quasi die Kulisse unseres Daseins. Alles, was wir sehen und was uns begleitet, hat seinen Ursprung in der Vergangenheit. Manches früher, anderes später, aber nichts, wirklich gar nichts von dem, was uns haptisch tangiert, entsprang der Zukunft.
Sie werden jetzt sagen: Öhhh ja, herzlichen Glückwunsch. Und sie haben recht, in expressis verbis bedeutet das nicht viel, aber die Tatsache, dass alles in der Vergangenheit entstanden ist heißt auch, dass es sein kann, dass etwas geschaffen wurde, bei dem keiner dabei war, was auch heißt, dass man davon sprechen kann, dass es Dinge gibt, die es eigentlich gar nicht gibt.
Die Tatsache der Geschichte ist folglich de Basis der Lüge. Nur der Umstand, dass es ein „vorher“ gab und dass dieses nicht eine Singularität ist, sondern eine sich stetig ergänzende Vielfältigkeit, in der lustig Dinge entstehen, beeinflussen oder nicht und wieder vergehen.
Die konstantinische Schenkung beispielsweise, also das Präsent „Westeuropa“ vom Kaiser Konstantin, der sich daraufhin in die neu gegründete Stadt Konstantinopel zurückzog, ist so ein Ding der Vergangenheit, das sich darauf beruft, dass, wenn es Vergangenheit gibt und diese ewig sich ergänzend ist, man sie auch ganz einfach beeinflussen, ja faken kann. Denn die konstantinische Schenkung hat es nie gegeben und dennoch hat nur wenig die hiesige Kultur so geprägt wie jene.
Darüber hinaus ist durchaus beachtenswert, dass das eben genannte Geschenk als Negation seiner erhofften Wirkung seine Strahlkraft entfaltete. Aber statt eines klassischen Kirchenstaates bis Nordeuropa ergab sich eine fränkisches Reich, das sich u.a. zwar aufgrund des gefakten konstantinischen Schenkung katholisch verpflichtet, aber nicht in ihr beheimatet war. Schon unter dem Sohn von Karl dem Großen, Ludwig, ausgerechnet „dem Frommen“ kam es zu den ersten Diskrepanzen zwischen weltlichem und eigentlich nur geistlichem Herrschaftsanspruch. Die Kirche strebte nach irdischer Herrschaft und bedrohte somit die Legitimität der eigentlich von Gottes Gnaden verliehene Würde des Kaisers (Nicht des Königs). Auktoritas vs. Potestas. Oder Geistliche Macht gegen irdische. Dass die Schenkung ein Fake war, wurde bereits im 15. Jahrhundert festgestellt, allein auf die genaue Datierung konnte man sich nicht einigen. Interessant. Es kann also etwas entstanden sein, ohne dass man weiß, wann, und es kann etwas entstanden sein, was Nichtentstandenes legitimieren soll. Und egal, wann etwas entstanden ist, es hat keine logische Konsequenz auf die Strahl- und Wirkungskraft.
Ergo: Das Einzige was man wissen kann ist: Dass etwas ist. Nicht wie, nicht warum und nicht weshalb. Und es können diese undefinierten Entitäten wirken, ohne dass wir sie sehen. Folglich könnte ich jetzt alles sagen und schreiben, und sie müssten es prüfen, wenn sie es nicht glauben wollten. Aber weil uns allen die Geschichte zugrunde liegt und wir sie alle anerkennen, müssen wir jede Behauptung erst einmal ernst nehmen, weil sie ja wahr sein könnte. Denn die Legitimität aller Dinge, die wir für relevant und wichtig halten, begründen wir auf die gleiche Weise. Wer also behaupten will, muss glauben. Und wer glaubt und wissen will ist derjenige, der beweisen muss. Nicht der der behauptet. Und wenn mir im falschen Moment die Muße zur Recherche fehlt, sollte ich immer bedenken, dass ich damit mögliche Geschichten legitimiere, die vielleicht völliger Humbug sind.
Wenn wir also an die Geschichte glauben, dann sind wir verpflichtet sie zu prüfen. Und zwar immer. Und solange wir dazu nicht immer bereit sein, dürfen wir uns nicht über Fakenews beschweren.
Bis morgen,
Text und Bild: adolf.muenstermann@gmail.com