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Stichwahl: Lewe gegen Todeskino

Am 13.9.2020 hat Münster gewählt. Als Netto-Gewinner – obwohl auf dem zweiten Platz – liegen die Grünen mit der CDU knapp gleich auf.

Auch bei der Wahl zum Oberbürgermeister konnte Markus Lewe (CDU) keinen Direktsieg erzielen und geht am 27. September in die Stichwahl gegen den Grünen Peter Todeskino. Im Vorfeld der Wahlen hat stadt4.0 mit den Parteien gesprochen. Hier sehen Sie einige der Antworten der (ehemaligen?) Koalitionspartner im Vergleich:


stadt4.0: Was sind die drängendsten Probleme, mit denen sich der Rat nach der Wahl befassen muss?

Todeskino: Der Rat muss sich damit beschäftigen, mehr bezahlbaren Wohnraum in Münster zu schaffen. Das ist eine große soziale Herausforderung mit vielen problembehafteten Baustellen. Bezahlbarer Wohnraum ist für viele Menschen, auch hier in unserer sehr wohlhabenden Stadt, existenzbedrohend. Daher ist das eine sehr wichtige Aufgabe, die nicht ausschließlich an den Rat adressiert ist, sondern auch an die Verwaltung. Die muss  besser angeführt in die Gänge kommen und Wohnbauflächen, die vom Rat bereits zur Verfügung gestellt wurden, entwickeln. Ich sehe da kein Unvermögen der Mitarbeiter*innen, sondern ein klares Leitungs- und Führungsproblem innerhalb der Verwaltung. Ich würde gerne  das Ruder übernehmen und die Prozesse innerhalb der Verwaltung deutlich verbessern. 

Ein weiteres drängendes  Problem, ist der Klimaschutz. Daran hängen natürlich noch viele andere Detailprobleme. Zum Beispiel unsere Verkehrspolitik. Die muss darauf ausgerichtet sein, jetzt ernsthaft mit der Verkehrswende anzufangen. Dabei muss auch die Verhaltensorientierung von Menschen problematisiert werden. Zum Beispiel der Verzicht, mit dem Auto in die Altstadt zu fahren. Wir wollen das Projekt autofreie Altstadt innerhalb von fünf Jahren finalisieren. Nicht nur weil es den Klimaschutz betrifft, sondern auch weil es die Aufenthaltsqualität in der Altstadt erhöht. Zudem wollen wir die Klimaneutralität unserer Stadt bis 2030 bewerkstelligen. Das Maßnahmenpaket, das die Verwaltung bisher vorgelegt hat, muss meines Erachtens immer wieder weiterentwickelt werden. Wir müssen nicht mehr palavern, wir müssen machen.

Lewe: Die wichtigste Aufgabe besteht darin, die Stadt im Gleichgewicht zu halten und Schlagseite zu vermeiden. Deshalb setzt die CDU keine politische Position absolut, sondern versucht stets den Interessenausgleich in fairem Kompromiss. Beispiel Wohnungsbau: Einerseits müssen wir die Anstrengungen forcieren, andererseits können wir nicht hemmungslos nachverdichten oder ganze Gebiete überplanen, ohne mit den betroffenen Kleingärtnern oder Sportvereinen, die SPD-Plänen zum Opfer fallen würden, überhaupt gesprochen zu haben. Beispiel Mobilität: Es nützt nichts, ein Verkehrsmittel zu beweihräuchern und ein anderes zu verteufeln.  


stadt40: Wie wollen Sie Münster zukunftsfähig machen (Stichworte Energie, Wohnen, Mobilität)?

Todeskino: Wir wollen den sozialen Wohnungsanteil weiter erhöhen. Nicht nur 30, sondern 60 Prozent, wenn es um die Vermarktung von städtischen Grundstücken geht. Aber ich finde wir sollten auch über eine andere Kultur nachdenken. Und zwar muss unsere kommunale Wohnbaugesellschaft in den Stand gesetzt werden, noch mehr sozialen Wohnungsbau zu organisieren. Nur kommunaler Besitz sichert auch langfristig den sozialen Wohnungsbestand. Da ist die Quote der Wohn- und Stadtbau gemessen am gesamtstädtischen Wohnungsbestand viel zu gering. Die muss deutlich erhöht werden.

Digitalisierung wird bei mir zur Chefsache. So wie es im Moment läuft, kann es nicht weitergehen. Dass sich die Stadt hier auf die Brust klopft und sagt: „Wir werden bis 2030 einen Digitalisierungsgrad mit schnellem Internet für die gesamte Stadt hinbekommen“. Das dauert mir viel zu lange. Erstens brauchen wir eine schnellere Umsetzung, und zwar sowohl für die Wirtschaft und Forschung als auch für die Bürger. Wir brauchen eine bessere Ausstattung an den Schulen mit Endgeräten. Das ist mir alles viel zu spärlich und da hat uns Corona gerade auch noch einmal unter dem Blickwinkel der sozial gerechten Verteilung gezeigt, dass Schulen und Universitäten und andere Bildungsträger vernünftig ausgestattet werden müssen, damit digitale Fähigkeiten von allen erlernt und angewendet werden können.

Lewe: Großstädte mit Bevölkerungsverlusten hätten unsere Probleme gern. Eine Stadt hat eine starke Möglichkeit, Wohnraum zu ermöglichen. Nämlich dadurch, dass sie Baurecht schafft. Die Arbeiten auf den beiden großen ehemaligen Kasernengeländen in Gievenbeck und Gremmendorf für insgesamt 3.000 neue Wohneinheiten haben 2019 begonnen. Acht weitere neue Baugebiete mit 4.000 Wohneinheiten kommen hinzu. Mit viel Grün und innovativen Verkehrskonzepten. 2019 gab es in Münster bereits über 8.000 Sozialwohnungen.Nach der jüngsten nordrhein-westfälischen Baustatistik werden in keiner Stadt im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Wohnungen gebaut als in Münster. Im Landesdurchschnitt 2019 gab es 26 neue Wohnungen, in Münster waren es auf 53 je 10.000 Einwohner.  

Wir brauchen einen vernünftigen Verkehrsmix. Das Rad gewinnt an Bedeutung. Aber manchen in der Politik geht es weniger um die Liebe zum Rad als um die Feindschaft zum Auto. Fast alle sind in ihrem Alltag Fußgänger, Radfahrer, Auto-, Bus - und Bahnfahrer. Eine Politik, die nur auf ein Verkehrsmittel setzt, ist zum Scheitern verurteilt.  

Münster ist als nachhaltigste Großstadt ausgezeichnet. Europaweit sind wir im Klimaschutz vorn. Bis 2030 will Münster klimaneutral werden. Trotz stark steigender Einwohnerzahl haben wir die CO2-Emissionen seit 1990 um knapp 25 Prozent reduziert. Klimaneutralität geht nur mit den Münsteranern, mit technischem Fortschritt und mit mehr Tempo. Konkret zählen dazu Thermofotografie, Altbausanierungen, Frischluftschneisen in Neubaugebieten, neue Mobilität, die Autos in der Innenstadt unnötig macht, drastische Verbesserungen im Fahrradverkehr. Klimaschutz darf man nicht apokalyptisch sehen, sondern als große Chance.


stadt40: Wie positioniert sich Ihre Partei angesichts der erschwerten Haushaltslage gegenüber solchen Großprojekten wie Hafenmarkt und Musik-Campus?

Todeskino: Wir können uns einen Musik-Campus durchaus auch vorstellen. Aber natürlich gibt es auch Strömungen bei uns, die das komplett ablehnen und zum Beispiel den Hörster Platz ins Spiel bringen. Ich persönlich würde das gerne in einem bürgerschaftlichen Kontext ausdiskutieren. Da ich keinen der gegenwärtig zur Debatte stehenden Standorte favorisiere, würde ich den Prozess als Oberbürgermeister unvoreingenommen neu aufgreifen und versuchen den Riss in der Bevölkerung zu kitten.

Den Hafenmarkt lehnen wir ab. Dieses Projekt wird nach meiner Auffassung vor Gericht keine Chance haben. Da hat man „verschlimmbessert“, aber die SPD und die CDU klopfen sich auf die Brust und sind der Meinung, sie hätten jetzt den großen Wurf geschafft. Das haben sie jedoch nicht. Sie haben die Bevölkerung nicht mitgenommen und die Chance verpasst, ein ordentliches Projekt zusammen mit der Bevölkerung aufzusetzen. Zudem glaube ich, dass sie der Vorhabenträgerin auch keinen Gefallen getan haben. Die Verkehrsprobleme sind wieder nicht gelöst. Der Hafenmarkt ist ein städtebaulicher Irrtum. So ein großer Einzelhandel ist deplatziert.

Lewe: Gerade jetzt dürfen wir Zukunftsprojekte und Ziele nicht aufgeben wie moderne Mobilität, Klimaschutz, Wohnungsbau, Musik-Campus oder Preußen-Stadion. Der Hafenmarkt hat eine andere Qualität, bei der die Grünen am Ende an einer Lösung nicht mitarbeiten wollten. Dennoch geht die Sache vorwärts.



stadt4.0: Die vollständigen interviews sowie die Wahlergebnisse finden Sie unter folgenden Links:

CDU: https://online-zeitung-deutschland.de/a/6076/kommunalwahl-2020-die-cdu

Bündnis90/Die Grünen: https://online-zeitung-deutschland.de/a/6180/kommunalwahl-2020-die-grunen

Wahlergebnisse Kommunalwahl 2020: https://online-zeitung-deutschland.de/a/6216/kommunalwahl-2020-stimmverteilung